Die bewegte Geschichte des Faber-Castell-Schlosses

24.9.2015, 06:00 Uhr
Am historischen Ort sieht man Wodka und Whiskey einträchtig in der Bar - Symbol für das enge Zusammenleben der Vertreter von Ost und West, die sich bald im Kalten Krieg zermürbten.

© Günter Distler Am historischen Ort sieht man Wodka und Whiskey einträchtig in der Bar - Symbol für das enge Zusammenleben der Vertreter von Ost und West, die sich bald im Kalten Krieg zermürbten.

Hier wurde geschrieben und diskutiert, aber auch gefeiert, geliebt und gesoffen: Das "Bleistiftschloss" der Grafen von Faber-Castell wurde im Herbst 1945 zum Presse-Hotel für hunderte Berichterstatter aus Amerika, Russland, Westeuropa und sogar China. Sie alle wollten den Haupt-Kriegsverbrecherprozess gegen Nazi-Größen wie Göring, Speer und Ribbentrop verfolgen. Große Schriftsteller waren darunter wie John Dos Passos, Martha Gellhorn, die damalige Frau von Ernest Hemingway, der Fotograf Ray D'Daddario und der Russe Ilja Ehrenburg. Sie alle wurden in Stein untergebracht.

Manche beschwerten sich über die Bedingungen, acht Feldbetten in den Zimmern waren der Normalfall, Dos Passos nannte das protzige Schloss in einem Brief "German Schrecklichkeit in seiner schlimmsten Form". Manche mokierten sich über das Essen, doch den Besuchern aus allen möglichen Kontinenten ging es blendend im Vergleich zur Bevölkerung im zerbombten Nürnberg.

Wie damals noch wenig bekannte Namen wie Willy Brandt, Markus Wolf, aber auch Prominente wie Erika Mann, Erich Kästner und Robert Jungk, Rebecca West und Peter de Mendelssohn in Stein lebten, lässt sich jetzt anhand einer informativen Broschüre von Steffen Radlmaier, Feuilleton-Chef der Nürnberger Nachrichten, einer Installation von Christian Oberlander, Künstler aus Fürth, und einem Film von Rainer Holzemer im Schloss nachvollziehen.

Am historischen Ort sieht man Wodka und Whiskey einträchtig in der Bar - Symbol für das enge Zusammenleben der Vertreter von Ost und West, die sich bald im Kalten Krieg zermürbten. An einer Touchscreen kann man sich durch die Original-Berichte und Briefe klicken, die von hier in die Welt geschickt wurden. In Holzemers Film kommen - wie auch in der Broschüre - die Zeitzeugen zu Wort, die größtenteils mittlerweile gestorben sind: Der spätere DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf erinnert sich an die große Party nach der Verkündung der Urteile gegen die Nazis, der US-Fotograf Ray D'Addario berichtet vom faden Essen und den Gesprächen mit russischen Kollegen, und die französische Übersetzerin Simone Herbulot erinnert sich an die Begegnung mit einem russischen Offizier, der ihr Liebhaber und Vater ihrer Tochter wurde. Wiedergesehen hat sie ihn erst nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs....

Zu sehen ist die Präsentation am 27.9. von 11 bis 17 Uhr und danach immer am 3. Sonntag im Monat, wenn auch das Schloss für Besichtigungen offen ist. Gruppenführungen auch zu anderen Terminen, Voranmeldung mit Stichwort "Press-Camp" unter erlebnismeile@faber-castell.de.
 

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