Die Wucht der Passion in Tönen und Bewegung

8.3.2010, 00:00 Uhr
Die Wucht der Passion in Tönen und Bewegung

© Weigert

Zwischen Sakro-Schlager und Seelenbalsam auch für kirchlich Distanzierte gehören die Werke zweifellos zu den eindrucksvollsten Tonschöpfungen überhaupt. Aber gibt es bei Bach wirklich nur «etwas auf die Ohren»? Am kommenden Wochenende lässt sich die Probe aufs Exempel machen – bei einer Aufführung der Johannes-Passion in der Citykirche St. Klara und in Erlangen.

Mitten im Publikum

«In dem Werk spielt das Volk ja eine besonders tragende und treibende Rolle», sagt Antje Langnickel, Gründerin und künstlerische Leiterin des Ensembles Belcanto. «Das versuchen wir umzusetzen und durch Bewegung zu veranschaulichen.» Statt auf einem Podest statisch zu verharren, bewegen sich die rund 40 Sängerinnen und Sänger nach dem Konzept, das sich die Kirchenmusikerin und Stimmbildnerin mit Helmut Konrad ausgedacht hat, mitten im Publikum, also vor, zwischen und hinter den Bänken.

«Das ist eine mehrfache Herausforderung», erklärt die studierte Kirchenmusikerin, «denn hier kann sich keiner mehr in den Reihen seiner Stimmlage verstecken; alle kommen den Zuhörern sehr nahe.» Das weicht die Grenze zwischen Hörer und Sänger zumindest auf. Dank des veränderten Höreindrucks und der buchstäblichen Chor-eographie soll auch der Besucher fiktiv mit der aufgebrachten Menge verschmelzen. Und die fordert in der Johannespassion in aller Wucht den Tod des scheinbar anmaßenden und doch so ergebenen Messias.

Angst, Versagen, Mut

«Jeder im Raum kann sich so leichter als Pilatus, Petrus oder gar Judas fühlen», erwartet Langnickel und setzt darauf, dass mit dem gesellschaftlichen Kontext in der Aufführung auch die Mechanismen von widerstreitenden Interessen, Angst. Versagen, Mut. Selbstüberschätzung und Erkenntnis plastischer hervortreten. «Bachs dichte Musik zeichnet all das dramatisch nach», betont die Chorleiterin. Aus der Musik heraus entwickele sich auch die Form chorischen und solistischen Agierens. Die vier Gesangssolisten sind in ihrer Deutung dann diejenigen, die von der Menge immer wieder mitgerissen werden, aber noch zur Reflexion fähig sind. Umgekehrt wird auch die Menge zum Spielball widerstreitender Interessen.

Seit ihrem Studium und einem Jahrespraktikum an St. Lorenz hat Langnickel mit einer zusätzlichen Stimmtrainerausbildung noch einmal einen neuen Weg eingeschlagen und ist auf diesem Gebiet inzwischen erfolgreich freischaffend tätig. Mit ihrem ganzheitlichen, «körperenergetischen» Ansatz verlangt sie auch ihren Ensemble-Mitgliedern mehr ab als in einem durchschnittlichen Kirchenchor.

Begleitet wird das vor vier Jahren gegründete Ensemble Belcanto vom Würzburger Orchester Camerata. Wegen der begrenzten Platzverhältnisse in St. Klara steht beim ersten Konzert am 13. März um 20.30 Uhr nur noch eine begrenzte Zahl von Karten zur Verfügung. Deutlich mehr Platz bietet die Erlangener Hugenottenkirche (14. März, 19.30 Uhr).