Dortmunder "Tatort": Hinter schwedischen Gardinen

4.2.2018, 21:45 Uhr
Dortmunder

© WDR/Thomas Kost

Im Gegensatz zu den am vergangenen Sonntag Dienst schiebenden Dresdner Kollegen, wo die Laune der Beteiligten erst mit jeder Folge mehr und mehr in den Keller rutschte, gab es in Dortmund von Anfang an dicke Luft auf dem Präsidium. Die Fahnder bekamen sich bei ihren Ermittlungen immer wieder so derbe in die Haare, dass mit Ablauf der letzten Episode einer der Streithähne gar das Weite suchte. Der von Stefan Konarske verkörperte Polizeioberkommissar Daniel Kossek schmiss hin und heuerte beim LKA an.

Der zehnte Dortmunder "Tatort", den Das Erste eigentlich bereits im Januar vergangenen Jahres zeigen wollte, die Ausstrahlung jedoch wegen der Ereignisse auf dem Berliner Weihnachtsmarkt und aus Rücksicht vor den Hinterbliebenen auf Mitte April 2017 verschob, hatte jedoch noch etwas mehr zu bieten, als das Serienaus des Schauspielers, dessen Lebensmittelpunkt inzwischen Paris ist, wo er bei verschiedenen Film- und Theaterprojekten in Erscheinung tritt.

"Sturm" endete mit einem regelrechten Paukenschlag. Einem verheerenden Bombenattentat, den zwei völlig aus dem Gleichgewicht geratene Jugendliche vor den Augen der Kommissare verübten. Die Protagonisten überlebten den Selbstmordanschlag nur knapp und schwer gezeichnet. Diese Tat setzte schließlich den Haken unter einen außergewöhnlichen, wendungsreichen Film, der nahezu in Echtzeit spielte.

"Tollwut" - inzwischen elfter "Tatort" aus dem Pott – steht für eine Art Neuanfang. Selbst wenn die Beteiligten wegen der tiefschürfenden Ereignisse aus „Sturm“ nicht sofort zurück zur Tagesordnung übergehen können. Drehbuchautor Jürgen Werner eröffnet mit diesem Dortmunder Krimi einige neue Horizontalen. Er schaut zurück, greift Vergangenes auf und sieht zugleich nach vorn. Altes und Neues wird miteinander verwoben. Und das – wie für den erfahrenen Autor üblich – ausgesprochen gut.

Komplexe Geschichte

Werner beordert die drei verbliebenen Kommissare ins Gefängnis und hebt damit den Vorhang für einen Krimi, der fast ausschließlich hinter bedrohlich wirkenden schwedischen Gardinen spielt und dadurch eine ganz besondere Atmosphäre versprüht. Der Erfinder des Dortmunder Teams erzählt in mehreren parallel verlaufenden Handlungssträngen eine äußerst komplexe Geschichte, deren Ausgang bis zum offenen Ende wenig vorhersehbar ist.

Als Prolog des fesselnden Schauspiels fungiert der mittels Schnitt und Gegenschnitt filmisch ansprechend in Szene gesetzte Tod von Häftling Michael Strecker. Der verurteilte Doppelmörder stirbt an einer Tollwut-Infektion. Da das Virus normalerweise durch den Speichel von Tieren übertragen wird, geht sowohl JVA-Leiterin Angelika Zerrer (Ulrike Krumbiegel) als auch das Ermittler-Trio um Faber (Jörg Hartmann), Boenisch (Anna Schudt) und Dalay (Aylin Tezel) davon aus, dass Strecker umgebracht wurde.

Rückkehr eines Dämons

Weil Regisseur Dror Zahavi aber nun genug damit zu tun hat, Werners dichtes Drehbuch abzuarbeiten, folgen diesem knapp dreiminütigen filmischen Hors d’œuvre zum Auftakt leider keine weiteren sehenswerten Sequenzen mehr. Das ist ein wenig schade, jedoch kein wirklicher Kritikpunkt. Dazu ist der Film insgesamt zu packend. "Tollwut" fesselt durchweg. Selbst Kosseks visuelle Absenz hinterlässt keine dramaturgische Lücke. Denn Werner integriert einen von Rick Okon verkörperten völlig neuen Charakter, der lediglich auf den ersten Blick keine gewichtige Rolle zu spielen scheint. Außerdem lässt er mit Gefängnisarzt Jonas Zander und Sexualstraftäter Markus Graf zwei Weggefährten aus Fabers Vergangenheit auf die Bildfläche zurückkehren.

Die neuerliche Konfrontation mit dem Mörder seiner Familie macht Faber schwer zu schaffen. Sie setzt im Kommissar innere Dämonen frei, die er lange unter Kontrolle glaubte. Die Momente, in denen sich Faber und Graf in dessen Zelle gegenüberstehen und mit Worten duellieren, sind zwar rar gesät, doch sind sie stets von einer hohen Intensität geprägt. Eine hohe Intensität, die den gesamten Film auszeichnet und unter Beweis stellt, welch großes Potential in den Dortmunder Fällen steckt.

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