Drastische Bilder: Asyl-Dramen erreichen die Comic-Welt

27.5.2016, 10:12 Uhr
Drastische Bilder: Asyl-Dramen erreichen die Comic-Welt

© Karl-Josef Hildenbrand /dpa

Eine amüsante Comic-Lektüre sieht anders aus. Wer zu Reinhard Kleists Band "Der Traum von Olympia" greift, dem dürfte das Lachen gründlich vergehen. Auf 145 Seiten beschreibt der Berliner Comic-Zeichner schonungslos das Fluchtschicksal der jungen Somalierin Samia Yusuf Omar - einer Sprinterin, die ihr Land 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking vertrat und vier Jahre später auf ihrer Flucht über das Mittelmeer vor der Küste Maltas ertrank. Kleist lässt dabei den Betrachter das reale Flucht-Drama in drastischen Schwarz-Weiß-Zeichnungen nacherleben.

Tatsächlich verfehlt der Flucht-Comic nur selten seine Wirkung: Wenn Kleist den Comic in Schulklassen vorstellt, "sind die Schüler jedes Mal geflasht", sagte der 46-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Und auch die Verkaufszahlen des Bands belegen: Selbst für Comics mit schwer verdaulichen Themen wie das Thema Flucht und Vertreibung scheint es immer mehr Käufer zu geben. Die bereits im Vorjahr im Carlsen-Verlag erschienene Graphic Novel hat sich fast 10. 000 Mal verkauft - bereits eine verkaufte Auflage von 5000 gilt in der Szene als Bestseller.

Rechte Gewalt in autobiografischer Form

Comics, gemeinhin literarischer Tummelplatz für Superhelden und Genre für ausschweifende Fantasy-Abenteuer, beschäftigten sich inzwischen auch mit dem Thema Flucht und Migration. Auf dem bis diesen Sonntag dauernden 17. Internationalen Comic-Salon präsentieren mehrere Verlage in Erlangen sogenannte Graphic Novels, die den Themenkomplex aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Aber auch mit dem wachsenden Rechtsextremismus in Deutschland setzen sich erste Autoren auseinander. So beschreibt etwa der junge Comic-Künstler Nils Oskamp in seinem autobiografischen Comic-Roman "Drei Steine", wie er selbst zur Zielscheibe von Neonazis wurde.

Der Augsburger Grafik-Design-Professor und Comic-Experte Mike Loos war zunächst von dem Erfolg von Comics, die die Flüchtlingszuwanderung zum Thema haben, selbst etwas überrascht. Inzwischen ist er überzeugt, dass Comics besser als andere Medien in der Lage sind, Menschen einen emotionalen Zugang zu solchen Themen zu verschaffen. "Ein Comic muss nicht immer nur an den Fakten kleben. Eine Comic-Erzählung darf subjektiv und emotional sein", sagt er. Außerdem: "Der Zeichner muss notgedrungen vereinfachen und Schwerpunkte herausarbeiten."

Er selbst hat vor ein paar Monaten zusammen mit Studenten der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule Augsburg einen Comic-Band herausgebracht: "Geschichten aus dem Grandhotel - Blicke in den Flüchtlingsalltag". Der Band erschien im Augsburger Wißner-Verlag. Nachdem er bereits 2000 Mal verkauft worden ist, plant der Verlag gerade eine zweite Auflage. Acht Studenten beleuchten in "Comic-Reportagen" das Thema Flucht, nachdem sie zuvor in einem Augsburger Flüchtlingsheim die Schicksale einiger dort lebender Asylsuchender recherchiert haben.

Ein Blick ins Seelenleben von Flüchtlingen

Ein Comic erzählt die Geschichte des Palästinensers Serge, der nach einer Odyssee um die halbe Welt inzwischen in Augsburg gelandet ist. Eine andere Comic-Reportage wirft einen Blick in das Seelenleben der aus dem Kosovo stammenden Alena; die drohte an den Problemen ihrer anfänglichen Sprachlosigkeit in Deutschland - so sagt sie - fast zu zerbrechen. Aber auch den anderen Blick auf das Thema Flüchtlinge thematisiert der Band: die Ausländerfeindlichkeit. Der Kunststudent Paul Rietzl schildert, wie ein Nachbar gegen das im Augsburger Domviertel geplante Flüchtlingsheim mobilisiert - und dabei in düstersten Farben bereits einen drohenden Glaubenskrieg an die Wand malt.

Mit den Comics der aus der Elfenbeinküste stammenden Künstlerin Marguerite Abouet wirft der Comic-Salon zudem exemplarisch ein Schlaglicht auf die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Abouet, die inzwischen in Paris lebt und der die Erlanger Festivalmacher eine eigene Ausstellung gewidmet haben, schildert in ihren Bildergeschichten den Alltag in Abidjan, der früheren Hauptstadt der Elfenbeinküste. In scheinbar harmlos daherkommenden Bilderszenen erfährt der Betrachter viel über die Perspektivlosigkeit der Menschen, die offene Frauendiskriminierung, die Korruption und die Arroganz der Oberschicht.

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