Dresdner "Tatort": Tote Prankster und Social Mourning

11.6.2017, 21:45 Uhr
Ein Social-Media-Star ist tot. War es das Internet?

© MDR Ein Social-Media-Star ist tot. War es das Internet?

Mit den Tücken des Internets bekam es letztens erst Kommissar Borowski oben in Kiel zu tun. Dort trieb Mitte März ein Auftragsmörder aus dem Darknet sein Unwesen. Das und sein neues Smartphone stellten den vorwiegend analog lebenden Polizisten vor etliche Verständnisprobleme. Zum Glück sprangen ihm zwei herrlich überzeichnete Nerds aus der hoffnungslos unterbesetzten Cybercrime-Abteilung zur Seite, die ihr Dasein äußerst symbolträchtig im zugigen Keller des LKA fristeten. Das Duo fütterte Borowski mit dem dringend benötigten Basiswissen, so dass sich der Ermittler einigermaßen aufgeklärt in die Arbeit stürzen konnte.

"Dieses verdammte Internet"

Eine solche Einheit wie in Kiel gibt es in Dresden nicht. Schließlich kann sich Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) bei Themen rund ums Internet vertrauensvoll an seine Kolleginnen Sieland (Alwara Höfels) und Gorniak (Karin Hanczewski) wenden. Die frisch getrennt Lebende (Sieland) sowie die Mutter eines Heranwachsenden (Gorniak) helfen stets gerne aus, wenn Schnabel mal wieder auf Kriegsfuß mit Technik und Moderne steht und lauthals fordert, dass "dieses verdammte Internet jetzt endlich mal jemand wieder abschalten soll".

Im dritten sächsischen Fall sind die Erklärungen seiner zwei Frauen mehr denn je gefragt. Schließlich bekommt es die Staatsgewalt mit einem Prankster zu tun. Einem Menschen, der anderen Streiche spielt, sich dabei filmt und das dann live ins Netz furzt. Damit lässt sich neben dem Ruhm als Internetstar auch jede Menge Bares abschöpfen. Auch wenn nicht nur Leute wie Schnabel sich fragen, wie man "mit so 'ner Scheiße Geld verdienen kann".

Jede Menge Verdächtige

Als Simson (Merlin Rose) einen besonders dreisten Prank durchzieht und dabei einen Clinch mit einer Rockergruppe anzettelt, schießt ihn ein Unbekannter nieder. Obwohl viele Menschen die Tat vor Ort und live im Internet verfolgen, sind verlässliche Zeugenaussagen Fehlanzeige. So viel zur Ausgangslage. Autor Richard Kropf legt in seinem ersten "Tatort"-Drehbuch nun ziemlich geschickt etliche Fährten, die dafür sorgen, dass es bald von potentiellen Mördern und Tatverdächtigen nur so wimmelt. Erst kurz vor Ende des Films ist klar, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat.

Das Ermittler-Trio taucht bis dahin immer mehr in die Welt junger YouTuber und Internetstars ein. Schnabel, Sieland und Gorniak stoßen auf windige Geschäftsleute wie Magnus Cord (Daniel Wagner), dem Betreiber von "Super7". Mit seiner Agentur managt der arrogante Verbalakrobat die erfolgreichsten Internetstars und kümmert sich gleichzeitig – allerdings mehr schlecht als recht – um deren Vermögensverwaltung. Seiner Profit- und Clickrate-Gier scheint kein Mittel heilig. Selbst aus der Trauer der Fans um Simson, seinem erfolgreichsten "Deliverer", macht er ein Business. Er veranstaltet ein "Social Mourning" und drückt den Gästen dabei gegen Bares Gedenkarmbänder aufs Auge, damit sie der Welt zeigen, wie aufrichtig man mittrauere. Die Kasse klingelt.

Wegen Aktionen wie diesen, seinem permanenten Cyberslang – der manchmal übers Ziel hinausschießt – und seiner fortwährenden Blockadehaltung bei den polizeilichen Ermittlungen, zieht Cord sich den Zorn der Kommissare zu. Doch als Mann mit besten Verbindungen kennt Schnabel die richtigen Leute und bekommt die Informationen auch ohne Cords Mittun und vor allem ohne Social Media. So sieht sich Kommissar Old School einmal mehr darin bestätigt, weiterhin auf Altbewährtes zu setzen.

Showdown mal anders

Ganz und gar nicht auf Altbewährtes setzen dagegen die Macher des Films. Regisseur Schnitzler arbeitet viel mit gelungenen Parallelmontagen. Er fügt Live-Streams und Handy-Aufnahmen ins Filmbild ein. Das erzeugt Dynamik und sorgt für ein erfrischendes, modernes Erscheinungsbild.

Selbst der Showdown fällt aus dem Rahmen. Cop Sieland hetzt anstatt mit Blick nach vorn und dem Finger am Abzug ihrer Waffe mit dem Smartphone vor der Nase durch eine dunkle Lagerhalle und bittet das Netz um Hilfe, um eine Person in Lebensgefahr ausfindig machen zu können.

Daher gibt der dritte Dresdner-"Tatort" ebenso wenig Grund zur Beanstandung, wie seine zwei Vorläufer. Bei einem derart cool in Szene gesetzten Thema ist es daneben zu verschmerzen, dass Schnabel und seine Damen in "Level X" insgesamt etwas weniger humorvoll zu Werke gehen als sonst. Aber womöglich liegt das einfach nur an der besonderen Thematik. Schließlich kommt hier ein Minderjähriger zu Tode, wird dort ein Mädchen vergewaltigt. Humor ist immer nur da angebracht, wo es möglich ist und die Geschichten und Figuren nicht verrät. Das alles haben sie in Dresden richtig gemacht.

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