Ein Adieu mit hinreißendem Schwung

14.5.2017, 18:55 Uhr
Ein Adieu mit hinreißendem Schwung

© Foto: Günter Distler

Keine Angst um Alexander Shelley! Er muss nach seinem Meistersingerhallen-Abschiedskonzert nicht ins nasse Kanada. Dort sinkt zwar endlich die 99 Prozent-Niederschlagswahrscheinlichkeit, aber der Noch-Symphoniker-Chef dirigiert sowieso erstmal in Paris und in der Schweiz – und im Juni dann erst in Ottawa. Jetzt verabschiedeten die Abonnenten den Mann, der sich für sein Orchester sogar die Dürer-Perücke aufgesetzt hat, mit einem fulminanten, übervollen Abend. Nochmal ein Marketing-Wunder: Der Saal war seit Monaten restlos ausverkauft.

Logischerweise hat sich das Publikum fürs "Wünsch dir was"-Konzert vom Dirigenten, der in die Neue Welt zieht, die Symphonie aus der Neuen Welt bestellt. Die muss man natürlich "können", wenn man dort reüssieren will. So gab es für DvoÝáks "Neunte" denn einen geheimnisvoll-konzentrierten Adagio-Einstieg in die spätromantische Schwärmerei.

Shelley formulierte mit seiner wieder gesunden Linken weit ausgreifend das melodisch-rhythmische Potenzial des populären Stücks: eine Erzählung von zwei Kontinenten und musikalischen Ausdruckswelten, auf die sich besonders die Bläsersolisten der Nürnberger Symphoniker präzise vorbereitet hatten. Shelley findet passend variable Tempi ohne Übertreibungen. Das Largo wurde zu einer Art Waldweben in sorgfältig ziselierter Empfindung, das Feuer, das DvoÝák fürs Finale fordert, entfachten stürmisch die symphonischen Streicher.

Einspielung bereits auf CD

Noch mehr zufrieden konnte man über die Wiedergabe des "Doppelkonzerts" von Johannes Brahms sein. Das ist für Violine und Violoncello geschrieben und von den Symphonikern mit den gleichen Solisten schon auf CD aufgenommen: mit den Brüdern Erik und Mark Schumann aus dem inzwischen höchst erfolgreichen Schumann-Quartett.

Alle waren somit bestens aufeinander eingespielt. Vorteilhaft stellen sich die beiden Düsseldorfer in den anfänglichen Soloblöcken vor, die Symphoniker entwickeln nach gemessen schreitendem Beginn hinreißenden Schwung. Die beiden Solisten tauchen mit lyrischer Emphase in den vollen Klang ein. Shelley und die Schumanns hatten sich auf einen überzeugend poetischen Nenner geeinigt: ein kongruentes Konzept, dem man die intensive Vertrautheit mit einem schönen Brahmsklang anhört.

Ohne hektische Gefälligkeiten, in präzise kalkulierten Gefühlen war das eine authentisch lyrische Lesart. Und die Symphoniker demonstrierten den Qualitätsstandard, den sie unter Shelley erreicht haben. Der schlug mit ein paar eleganten Takten von Johann Strauß den Bogen zu seinem Antrittskonzert vor acht Jahren zurück: "Abschiedspolka".

Und er stellte seine Professionalität auch bei den Komplimenten unter Beweis: "Sie sind das beste Publikum der Welt!" oder "Ein Teil von mir bleibt bis zum Ende meines Lebens in Nürnberg." Darüber freuten sich sein Noch-Intendant Lucius A. Hemmer und Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner. Zur Not kann sich’s Shelley ja noch bis zum Luitpold-Open-Air am 5. August überlegen.

BR Klassik sendet den Mitschnitt am 16. Mai ab 20.03 Uhr.

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