Ein Fest für den E-Bass: 25. "Jazz & Blues Open"

30.4.2018, 11:59 Uhr
Bassist Marcus Miller war gerade mal 21, als ihn Miles Davis 1980 in seine Band und für das Album „We Want Miles“ holte. Inzwischen macht der kreative Meister der pulsierenden Slapping-Spielart längst sein eigenes Ding – und begeisterte in Wendelstein.

© Hans von Draminski Bassist Marcus Miller war gerade mal 21, als ihn Miles Davis 1980 in seine Band und für das Album „We Want Miles“ holte. Inzwischen macht der kreative Meister der pulsierenden Slapping-Spielart längst sein eigenes Ding – und begeisterte in Wendelstein.

Der Sound von New Orleans, der das Wendelsteiner Festival lange geprägt hatte, gehört nicht mehr zwingend zum Programm. Seit einigen Jahren sind Kulturreferentin Andrea Söllner und Jan Rottau, der künstlerische Leiter der Ingolstädter Jazztage, für das Line up verantwortlich. Sie setzen auf ein bunt gemischtes Konzertprogramm mit bekannten Namen, das nicht auf eine bestimmte Zielgruppe abgestellt ist, sondern in die Breite wirkt. So kommt es, dass junge Pop-Shootingstars wie Amy Macdonald und Stefanie Heinzmann ebenso auf der Bühne stehen wie der famose US-Bassist Marcus Miller und die im besten Sinne abgefahrene Münchner Jazzrausch Bigband.

Letztere dürfte weltweit ein Alleinstellungsmerkmal haben. Das junge Musiker-Kollektiv nützt die Durchlässigkeit des Jazz für andere Stile aus und mischt ihn mit zeitgemäßen House-, Techno- und Dub-Elementen auf. Mit diesem Mix ist das Ensemble zur Haus-Bigband des Münchner Techno-Clubs "Harry Klein" avanciert. Das Crossover funktioniert prächtig, denn die 14 Instrumentalisten und ihre Sängerin, die sich teils an der Musikhochschule kennengelernt haben, sind in beiden Genres zuhause.

Unter der Leitung des Posaunisten Roman Sladek pulsieren in den Kompositionen von Leonhard Kuhn die elektronischen Beats im "4 to the Floor"-Modus schwer im Raum. Nur um von der aufgeweckten Formation mit Klangvielfalt, kreativen Soli-Spaziergängen und enormem Spaß am Spiel unterfüttert zu werden. Musik, die die locker gefüllte Wendelsteiner Event-Halle im Handumdrehen in einen Dancefloor verwandelt — und das Haltbarkeitsdatum des Jazz wieder einmal verlängert.

Ein Heimspiel hatte zuvor der Burgthanner "Voice-of-Germany"-Finalist Benedikt Köstler. Der 17-Jährige durfte das Festival mit einem Kurz-Programm aus eigenen Stücken und Cover-Songs eröffnen. Dabei empfahl sich der junge Franke als künftiger Crooner — und man wünscht ihm von Herzen, dass er das dämliche Etikett vom "singenden Torwart" bald los ist.

SoulPop aus der Schweiz

Von Stefanie Heinzmann fühlte sich besonders das jüngere Publikum angesprochen.

Von Stefanie Heinzmann fühlte sich besonders das jüngere Publikum angesprochen. © Hans von Draminski

Wer einen Mentor wie Stefan Raab hinter sich weiß und öfter mal im Fernsehen auftaucht, muss sich um seinen Erfolg keine großen Sorgen machen. So lautet eine Regel im Musik-Geschäft. Das gilt auch für Stefanie Heinzmann. Mit ihrem SoulPop spricht die Schweizerin vor allem das junge Publikum an. Und ja, die sympathische Maus mit dem großen Mitteilungsbedürfnis hat fraglos viel Soul in der Stimme. Ob sie ihn im Blut hat, ist aber doch wieder eine andere Frage. Ihr Gesang ist flexibel und tadellos, und die famose, druckvolle Band, zu der der gefragte Nürnberger Saxophonist Lutz Häfner gehört, weit mehr als eine solide Stütze im Hintergrund. Trotzdem wirkt der Auftritt eine Spur zu glatt.

Wie Stefanie Heinzmann versteht auch die Bassistin Ida Nielsen zweifellos ihr Handwerk. Viele Jahre spielte die Dänin in der Band von Prince, der sich bekanntlich gern von Bassistinnen begleiten ließ. Und der Einfluss des Meisters ist unverkennbar. Doch anders als Prince, der sich immer wieder neu erfand, hat Ida Nielsen, die in Wendelstein samt Rapper und DJ auftritt, ihren Funk offensichtlich seit — sagen wir Anfang der 90er Jahre nicht groß weiterentwickelt. Vollgas und pausenloses Power-Slapping lautet die Devise ihres Gastspiels, das recht variantenarm und unterkühlt daherkommt. Wer gerne tanzt, hat seine Freude daran, wer daneben seinen Anspruch an differenzierte, kreative Musik nicht unter den Teppich kehren will, ist bei Ida Nielsens großem Vorbild ungleich besser aufgehoben.

Marcus Miller, der Mann, der bei Miles Davis gelernt und die feine Art des (mit dem Daumen geschlagenen) Slapping zu seinem Markenzeichen gemacht hat, wählt erst mal die ruhigere Gangart. Den Jazz als Fundament, startet er mit einem weiten, lasziven wie spannungsreichen Ausflug durch den Temptations-Song "Papa was a Rollin’ Stone". Doch Miller kann auch spielen, als gäbe es kein Morgen. Sein abwechslungsreicher, oft melodischer Duktus wirkt auch ohne ständige Knalleffekte aufregend. Schade, dass der Sound in der Halle dazu nicht ganz optimal ist. Für seinen kürzlich verstorbenen Vater spielt der Multiinstrumentalist einfühlsam die Bassklarinette. Und zum Abschluss gibt’s eine beschleunigte Version von Miles Davis’ "Tutu". Miller weiß, wem er was zu verdanken hat. Fantastisch!

Das Festival dauert bis zum 2. Mai; jazzandbluesopen.de

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