Ein ganzes Leben in 24 Stunden

14.10.2018, 19:24 Uhr
Ein ganzes Leben in 24 Stunden

© Thomas Riese

Die Liebe, die Vergänglichkeit, der Tod — was könnte das schwermütig werden in dem Stück "Nur ein Tag", von Martin Baltscheit. Doch dass Kompliziertes auch so lustig erzählt werden kann, dass die Lacher überwiegen, ohne das ernste Thema an den schnellen Gag zu verraten, hat das Kindertheater Mummpitz in Nürnberg schon mehrfach bewiesen.

Jetzt kann man also einem dicklichen Wildschwein und einem treudoofen Fuchs, mit Witz und Würze gespielt von Stefan Drücke und Michael Bang, dabei zuschauen, wie sie sich unsterblich in eine attraktive Eintagsfliege verlieben. Die spielt Christine Mertens mit einer hinreißenden Mischung aus koketter Frechheit, Liebe, Selbstbewusstsein — und Duftspray in der Tasche. Da ist gleich klar: Ein kurzes Leben kann richtig schön sein.

Fliegermütze und Fliegenpatsche

Neben den Schauspielern sind aber auch die Regieeinfälle von Andrea Erl und die Ausstattung von Carlonie Forisch (Bühne) und André Schreiber (Kostüme) das Salz in der Suppe: Wie bringt man eine schlüpfende Fliege auf die Bühne? Im grauen, raschelnden Regenmantel, aus dem sie sich zitternd herausschält. Auf dem Kopf trägt sie eine rote Fliegerkappe, dazu eine riesige Sonnenbrille. Der Fuchs sieht mit seiner Brille schlauer aus, als er ist, und das Schwein braucht natürlich eine Lederhose zum Tirolerhut. Zusammen leben sie zwischen Baumhaus und Fuchsbau, aus dem flugs auch eine Kirche wird, wenn es ans Heiraten geht. Und die Fliegenpatsche dient als Brautstrauß

Die Geschichte ist verzwickt, wie das Leben eben so ist: Schwein und Fuchs verlieben sich unsterblich in die hübsche Fliege, obwohl sie genau das vermeiden wollten: Liebe ist schließlich keine Angelegenheit nur für einen Tag. Weil sie das zarte Wesen, das sich für eine "Maifliege" mit vollem Terminkalender hält, nicht verletzen wollen, wagen sie nicht, ihr von der Kürze ihres Lebens zu erzählen. Da hilft nur eine Notlüge: Der Fuchs habe nur noch einen Tag zu leben, behaupten sie. Darum beschließt die Fliege, dem neuen Freund das Rest-Leben so schön wie möglich zu machen — inklusive Schule, Geburtstag, Hochzeit, Kinderkriegen. Selbst durch den Geflügelstall — "2500 Biohühner" — darf er jagen, einmal quer durch die Zuschauerreihen.

Live-Soundtrack am Cello

Wie man das eigene Wohl und das des anderen im Blick behält, wie man jemandem die bittere Wahrheit erspart und ihn trotzdem ernst nimmt, wie man das Dasein trotz des drohenden Endes genießt, — all das erzählt das Stück mit Humor und Hingabe. Dazu entlockt Clara Jochum ihrem Cello sanfte Melodien und kratzige Töne; ein Live-Soundtrack, der schließlich in ihren schön-missmutigen Auftritt als aufgeklärte Fliege mündet, die ihr kurzes Leben lang nur die Zeit rückwärts zählt. Welche Verschwendung. Mit guten Freunden an der Seite kann man dagegen sogar zufrieden sterben.

Ab sechs Jahren, Aufführungen bis 26. Oktober, Karten-Tel. 09 11/216 27 77, ZAC-Rabatt, www.theater-mummpitz.de

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