Ein Mann sah rot

8.7.2016, 19:09 Uhr
Ein Mann sah rot

© Foto: Thomas Scherer

Nein, mit Fürth oder Franken hatte Rupprecht Geiger (1908-2009) nichts am Hut. Und doch fügt sich der Münchner, der mehr als zehn Jahre an der renommierten Düsseldorfer Kunstakademie lehrte, der Deutschland noch 2002 auf der Biennale in São Paulo vertrat und von den 1950ern bis 1970ern Dauergast auf der documenta in Kassel war, prima ein in das ansonsten regional geprägte Programm der kleinen städtischen Galerie in Fürth. Denn die wagt sich in regelmäßigen Abständen an ganz große Namen der Kunstgeschichte, zeigte schon Werke von Wolfgang Mattheuer, Christian Schad oder Hannah Höch.

Nun also Geiger — der Mann, der so oft Rot sah. Das war seine Farbe, die er von Pink bis Lila, von Orange bis Bordeaux verwendete und dafür mit sogenannten Tagesleuchtfarben der Bundeswehr experimentierte. Das Rotspektrum interpretierte er großzügig — vom warmen Gelb bis ins blaueste Violett. „Rot ist Leben, Energie, Potenz, Macht, Liebe, Wärme, Kraft. Rot macht high“, lautete sein Credo.

In Fürth nun springen die leuchtenden Farben die Besucher förmlich an, entfalten Wucht und Wirkung in ihren geometrischen Formen, vor allem als (oft leicht gestauchte) Kreise und Rechtecke in allen Varianten. Im Dreieck sprang Geiger mit seinen Pinseln dagegen nur sehr selten.

Mit den Zahlen spielen

Gezeigt werden in Fürth nun Arbeiten aus über 30 Jahren, die belegen, dass der Maler schon sehr früh eine ganz eigene Position im Kunstbetrieb hatte und ihr konsequent — man könnte auch sagen, ohne wirkliche Weiterentwicklung — sein langes Leben lang treu blieb. Was vielleicht auch damit zu tun hat, wie er zum Rot kam: „Immer wieder hat er ja erzählt, wie er als junger Mann in der Nachkriegszeit eine Frau im pinkfarbenen Kleid in einem Ami-Jeep gesehen hat, ein Bild, das sich ihm eingeprägt hat. Und wie er später in einem Care-Paket einen roten Lippenstift für seine Frau fand, mit dem er umgehend gemalt hat“, sagt Hans-Peter Miksch, Leiter der Kunstgalerie Fürth.

„Metapher Zahl“ hat er die Ausstellung genannt. Der Titel ist Programm: Die abstrahierte Darstellung der Ziffern von Null bis Neun beschäftigte Geiger über Jahrzehnte. „Er verstand die Zahl nicht als Wert, sondern als Bild und er wollte Formen nicht färben, sondern die Farbe von der Form befreien“, erklärt Miksch.

Der Künstler gestaltete seine Zahlenreihen als Siebdrucke und Collagen, addierte Zeichnungen und auch dreidimensionale Wandobjekte, die der studierte Architekt aus Holz fertigte und ihnen dann ein Farbbad verpasste. „Diese Arbeiten waren bislang nur zwei Mal ausgestellt“ sagt Miksch, der die Ausstellungsstücke vom 2010 gegründeten Geiger-Archiv in München übernommen hat, das die Enkelin des mit 101 Jahren verstorbenen Künstlers leitet.

Der Siebdruck war sein bevorzugtes Metier, mit dem er subtile Farbverläufe innerhalb der auf den ersten Blick einfarbigen Flächen erzielte. Harmonie war sein Ding nicht, hart und beinahe aggressiv setzte er Farben gegeneinander, die sich beißen und bekämpfen. „Es soll knirschen, es soll den Betrachter pushen, ihm Energie verleihen“, meint Miksch.

Problem für Restauratoren

Geiger schuf auch Gemälde, auf denen er die Farbpigmente so samtig-pudrig und damit so rein wie möglich und bindungsmittelfrei auftrug — zum Vergnügen der (früheren) Betrachter und zum Leidwesen heutiger Restauratoren. „Die Pigmente beginnen abzubröseln“, erklärt Miksch. Solch fragile Arbeiten sind nicht nach Fürth gereist, aber Papierarbeiten aus den Jahren von 1984 bis 2007. Denn auch der Hochbetagte hat als fast 100-Jähriger noch Kunst gemacht.

In Fürth kann man nun also einen Querschnitt seines Schaffens sehen. Zuletzt war das in der Region vor über 40 Jahren möglich, als die Nürnberger Galerie Defet eine Einzelausstellung des Münchners gezeigt hatte, wie sich Miksch erinnert. „Der Künstler ist hier nicht gerade überrepräsentiert“, stellt er fest und lässt die Geigerschen „Sonnen“ nun passend zur Sommerzeit hell strahlen.

Kunstgalerie Fürth, Königsplatz 1, bis 14. August, Mi.-Sa. 13-18, So. 11-17 Uhr

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