James Bay: Kein Model und trotzdem Posterboy des Pop

2.4.2015, 19:57 Uhr
James Bay: Kein Model und trotzdem Posterboy des Pop

© dpa

Nach einer Minute Stillstand und leicht ruckeliger Restfahrt macht es sich der 24-Jährige aus Hitchin in der Provinz Hertfordshire (knapp eine Autostunde von London entfernt) mit einem Tee im Konferenzzimmer bequem. Er trägt schwarzes Hemd zu grauer Jeans, und auf dem Kopf selbstverständlich seinen Hut, der so ein bisschen zum Markenzeichen wider Willen geworden ist. „Alle sprechen mich auf den Hut an“, so James leicht seufzend, „dabei ist das bloß ein Accessoire und nicht die Hauptsache. Mit 19 stand ich total auf den Bluesmusiker Eric Bibb, der einen ähnlichen Hut trägt, also ging ich in einen Hutladen, kaufte mir auch einen und mag ihn seitdem sehr.“

Bay ist aktuell etwas sensibel geworden, was Äußerlichkeiten angeht. Auf der britischen Insel finden die Medien den eingängigen Gitarrenpop seines Debütalbums „The Chaos and The Calm“ zwar ganz reizvoll, reiten aber auch ziemlich auf seinen Poster-Boy-Qualitäten herum, was ihn nervt. „Ich war kein Model für Burberry“, sagt er. „Nur weil einer das vom anderen abschreibt, stimmt es noch lange nicht.“ Wahr ist: Er stand bei der London Fashion Week letzten Herbst auf der Bühne und sang ein paar seiner Lieder, während die Burberry-Models auf und ab liefen. Dazu trug er logischerweise Klamotten des Labels, „aber das macht mich trotzdem nicht zum Model.“ So, das ist geklärt, und für sein gutes Aussehen (mit den langen Haaren und den hohen Wangen erinnert Bay an den jungen Johnny Depp) kann er nichts.

Zeitlose Melodien

Die große Stärke des Sängers und Gitarristen sind ohne Frage dessen irrsinnig gefällige Melodien. Ähnlich wie seine Namensvettern Morrison und, Herrgott ja, Blunt beweist auch Bay ein sehr feines Händchen für die Art von Liedern, die das Mainstreamradio liebt. „Hold back the River“, die Single, ist schon längst ein Ohrwurm, andere Songs wie „Craving“, „Collide“ oder „When we were on Fire“ werden im Jahresverlauf folgen.

„Ich lege großen Wert auf Melodien“, so James Bay, „und ich versuche immer, so gute Songs zu schreiben, dass sie sich von Anfang an zeitlos anhören. Ein wirklich starker Song ist für mich nicht nur ‚catchy‘, sondern hat auch Seele und Gefühl.“

Daran mangelt es insbesondere Bays Balladen nicht. „Move together“ oder „Scars“ sind unmittelbar beeinflusst von der Beziehung zu seiner Freundin, die vor einer harten Probe stand, als sie für ein Jahr nach Amerika ging, während James sich weiter in Hitchin als Barkeeper verdingte. „Das Heftige ist, dass jedem von uns ein Jahr im Leben des anderen fehlt, aber wir haben es gepackt und sind immer noch zusammen.“

Während James Bay einerseits immer noch im gemütlichen Hitchin wohnt, hat sich sein Leben ansonsten rasant beschleunigt. Der Absolvent der Profimusikerschmiede „Brighton Institute Of Modern Music“, der mit Tom Odell („Another Love“) in eine Klasse ging und lernte, „dass Kollegen zu sehr auch Konkurrenten sind, um wirklich gut befreundet zu sein“, zählt nun dank Nachwuchspreis bei den Brit Awards sowie Platz Zwei der BBC-„Sound of 2015“-Liste zu den heißesten Eisen des Jahres.

Feinschliff in L.A.

„The Chaos and the Calm“ durfte er in Nashville aufnehmen, zusammen mit dem alten Produzenten-Haudegen Jacquire King, der auch die Kings Of Leon betreut. Speziell in den schnelleren Bay-Songs hört man auch ein bisschen die Südstaatenrocker raus. In New York hatte er zuvor seinen Plattenvertrag unterzeichnet, für den Feinschliff des Albums ging es nach Los Angeles, und sogar einen Auftritt im Vorprogramm der Rolling Stones hat Bay schon in der Vita.

„Ich gehöre jetzt dazu und fühle mich relevant“, so Bay, der natürlich auch vom aktuellen Pop-Jungs-mit-Gefühlen-Boom um Ed Sheeran, Sam Smith oder Hozier profitiert. „Es ist alles so wahnsinnig schnell gegangen“, sagt er, „aber mein Leben steht nicht Kopf deswegen. Bis jetzt sind meine Tage vor allem von harter, disziplinierter Arbeit geprägt, ich hatte ein gutes Stück mehr Rock’n’Roll erwartet.“ Seit James mit elf Jahren das Gitarre spielen lernte, verfolgte er die Karrieren seiner Vorbilder – Led Zeppelin, Elton John, Rod Stewart – und wundert sich, „wie krass durchgeknallt das Musikerleben in den Seventies war und wie brav es heute ist.“

Doch nicht nur die Zeiten sind braver geworden. Auch die Musiker sind nicht mehr jung und wild, sondern nur noch jung.

Aktuelles Album, „The Chaos And The Calm“ (Universal)

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