Ein Vierteljahrhundert voller Mega-Hits

29.10.2011, 11:06 Uhr

Es sind die kleinen Gesten der Freundlichkeit, die beim Konzert zwischen Per Gessle und Marie Fredriksson auffallen. Suchende Blicke, aufmunterndes Klopfen auf die Schulter oder auch die Tatsache, dass Gessle seine nach einem Gehirntumor noch nicht ganz wieder hergestellte Partnerin sanft von der Bühne führt.

„Schreib bloß keinen Mitleids-Artikel“ hat ein Freund noch mit auf den Weg gegeben. Ist ja gut! Aber man wird ja wohl noch erwähnen dürfen, dass es uneingeschränkten Respekt verdient, wie die 53-Jährige, immer noch angeschlagen und sehr verletzlich wirkende Sängerin die gut zwei Stunden auf der Bühne durchzieht. Sie bewegt sich etwas unsicher und eckig (als Folge ihrer Krankheit ist sie auf einem Auge blind), aber stimmlich ist die kleine Frau mit den von jeher rappelkurzen blonden Haaren bis auf ein paar Unsauberheiten voll da. Die als Notfallhilfe mitgebrachte Background-Sängerin hat so gut wie nichts zu tun. Zwar wird die eine oder andere Passage tiefer gesungen als auf den Platten, aber auf diesen kleinen Trick greifen viele Künstler zurück.

„Back With Their Greatest Hits“ heißt die laufende Tour des seit 25 Jahren erfolgreichen Duos, das zu einer langen Pause gezwungen war. Und was drauf steht, ist auch drin: Ganze zwei Songs vom aktuellen Album „Charm School“ werden gespielt, der Rest ist Geschichte. Denn Megahits hatte Roxette nun wirklich genug. Deswegen kann man es sich auch leisten, gleich mit den beiden Krachern „Dressed For Success“ und „Sleeping In My Car“ einzusteigen.

Die Menge tobt, die Menge singt jede Zeile mit — und wird schon bald darauf mit Balladen zurück auf Normaltemperatur gebracht, bevor das Tempo wieder angezogen wird. Kurzum: Die Konzert-Choreographie stimmt. Wie eigentlich alles irgendwie stimmt bei diesem Auftritt, der schlichtweg brav, solide, massenkompatibel und überraschungsfrei ist. Andererseits ist die Show auch erfrischend oldschool, wie man so schön sagt. Da wird auf großes Leinwand-Gedöns und anderes Geplänkel selbstbewusst verzichtet und sich allein auf das mitgebrachte Material verlassen.

Balladen wurden zu Klassikern

Das funktioniert gar prächtig. Zu „It Must Have Been Love“ oder „Listen To Your Heart“ haben wir doch alle schon mal eine verstohlene Träne ins Kopfkissen gepresst. Und „The Look“, mit dem Roxette 1989 in den USA den Durchbruch schafften, ist auch mit über 20 Jahren Abstand noch ein guter Song.

Letzten Endes kann das alles zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit gut gemachtem, aber auch unglaublich glattem, refraingetriebenem Radio-Pop zu tun haben. Doch man muss dem kreativen Kopf und Songschreiber Per Gessle, der die Gitarren-Soli übrigens einfach komplett dem Kollegen Christoffer Lundquist (kann auch „Hänschen Klein“) überlässt, eins zugute halten: Er hat seiner Band einen unverwechselbaren Sound verpasst, den er bis heute mit Zähnen und Klauen verteidigt. Roxette sollen klingen wie Roxette und nicht wie irgendwas, das eben gerade mal modern ist. Und das ist auch gut so.

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