Epos, Musical, Glücksgriff: "Der Kaiser und die Gauklerin"

27.11.2016, 11:36 Uhr
"Der Kaiser und die Gauklerin" feierte am Samstagabend Premiere in Nürnberg.

© Hans von Draminski "Der Kaiser und die Gauklerin" feierte am Samstagabend Premiere in Nürnberg.

Stückautor und Regisseur Werner Müller hat eine intelligente Parabel über Standesdünkel und Fremdenhass, über Obsessionen und Emotionen, über den ewigen Kampf zwischen Arm und Reich, denen da oben und jenen da unten auf die Bühne gebracht. Hier Kaiser Karl IV. und sein in Konventionen gefangener Hofstaat, da eine quirlige Gauklertruppe, die sich nicht darum schert, was "statthaft" oder "angemessen" ist. Karl IV. (1316 – 1378), den Frank Loman mit großer Präsenz und ganz vielen Zwischen- und Untertönen verkörpert, war nicht nur zu seinen Lebzeiten höchst umstritten: Einerseits hatte er den Ruf eines Monarchen, der den Geist des Christentums vorlebte, andererseits brachte ihm seine ambivalente Rolle bei den sogenannten Pestpogromen des Jahres 1349 den unrühmlichen Beinamen "Judenschlächter" ein. In Werner Müllers Stück ein harter Gewissenskonflikt, an dem der Kaiser beinahe zerbricht.

Die Rettung kommt in Form einer Gauklertruppe, angeführt von dem unkonventionellen Querdenker Johann, dem Thomas Hartkopf mit turmhohem Tenor und einem hohen Maß an Bühnenpräsenz Kontur verleiht. Ein Mensch, der den Kaiser "Bruder" nennt und keiner ist, der seine Knie vor dem Amt beugt. In Johanns schöne Schwester Anna verliebt sich der den Frauen sowieso zugetane Kaiser auf der Stelle – und wird von ihr auf charmante Art abgewiesen. Marina Pechmann spielt gegen alle Klischees, ihre Gauklerin ist eine lebenskluge junge Frau mit einem aus historischer Warte utopisch zu nennenden Bildungsstand. Eine Lichtgestalt, die intellektuelle Bosheiten mit Petrarca-Versen pariert und sich nichts gefallen lässt.

Gegenspieler und heimliche Hauptrolle in dem temporeichen Spiel ist der so bigotte wie intrigante Franziskanermönch Bertram, dessen Rollenporträt Christoph Ackermann als brillante Gratwanderung gelingt: In seiner Funktion als Haushofmeister und Erzieher drangsaliert er nicht nur die Gaukler, sondern auch Kaisertochter Katharina (sympathisch mädchenhaft: Aimée Biedermann), der er den Kontakt mit anderen Menschen am liebsten ganz verbieten würde. Ehe die Figur zum Mephisto in Mönchskutte mutiert, steuert Ackermann mit brillanter Tollpatschigkeit gegen und sorgt damit für den Schuss ironischen Humors, den ein solches Stück auch braucht.

Zu gefallen vermag auch Gitti Rüsing, deren Kaiserin eine nachvollziehbare Entwicklung von der bornierten Oberklassen-Zicke zur liebenden Ehegattin durchmacht und dabei ein paar ganz starke Momente hat. Der Komponist Andreas Rüsing hat für "Der Kaiser und die Gauklerin" eine prägnante, zwischen Pop und Mittelalter changierende Tonsprache gefunden und Songs geschrieben, die trotz ihrer anspruchsvollen Faktur erstaunlich schnell ins Ohr gehen. Christiana von Roits Kostüme orientieren sich an dem, was man über die Tracht der Zeit weiß, auch Marc Bollmeyers Choreografien greifen auf historische Vorbilder, beispielsweise auf Moriskentänze, zurück.

Weil Werner Müller im Vorübergehen auch noch Themen wie Zuwanderung und die Angst vor dem Fremden sehr subtil aufgreift, ist "Der Kaiser und die Gauklerin" über den geschichtlichen Kontext hinaus ein modernes Stück geworden, das all jene nachdenklich macht, die zwischen den Zeilen lesen können. Sehr empfehlenswert. 25 weitere Vorstellungen bis Freitag, 6. Januar 2017; Termine und Tickets unter www.kaiser-gauklerin.de.

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