Erster Horror-"Tatort": Ein Hauch von "Sixth Sense"

29.10.2017, 21:43 Uhr
Erster Horror-

© HR/Benjamin Dernbecher

Der Hessische Rundfunk steht für mutige, bemerkenswerte "Tatort"-Episoden. Immer wieder aufs Neue gelingt es der Sendeanstalt, eine Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln, die vor Frische und Finesse nur so strotzt. Da macht auch der neue Frankfurter Fall keine Ausnahme. Klar wird das schon während der ersten Sekunden. Dicke, gelblich schimmernde Nebelschwaden ziehen durchs Bild. Aus dem Off kündigt Kommissarin Janneke (Margareta Broich) mit ernstem Klang in der Stimme an, sie werde nun vom unheimlichsten Fall ihrer Laufbahn erzählen. Allein das ist gruselig. Und noch längst nicht alles. Denn mit Auflösen des Nebels nimmt ein mysteriöser "Tatort" seinen Lauf, bei dem lediglich Vor- und Nachspann daran erinnern, dass es sich überhaupt um einen solchen handelt.

Nach über 1000 unterschiedlichsten Folgen, in denen so viele Geschichten erzählt und teilweise mit realen Begebenheiten verknüpft wurden, sendet Das Erste also passend zu Halloween einen allerersten Horror-"Tatort". Es blitzt, es donnert. Es gibt Regen, viele Schockmomente und ein zu einem Gruselfilm gehörendes "Haunted House", auf dessen staubigem Speicher eine verweste Kinderleiche liegt und in dessen finsterem Kellergewölbe eine Untote haust. Pikanterweise gehört dieser verwunschene Ort zum Anwesen von Kommissar Brix (Wolfram Koch) und Freundin Fanny (Zazie de Paris).

Von alledem zunächst nichts ahnend, staunen die beiden nicht schlecht, als mitten in der Nacht plötzlich ein alter Mann im Garten steht und versucht, das Haus in Brand zu stecken. Dabei erleidet er jedoch einen Schwächeanfall. Dem aufgeschreckten Brix erzählt er obskure Dinge, wobei er auf das Dachfenster starrt. Brix folgt dem Blick und findet dort unter den ächzenden Holzdielen die eben bereits erwähnte Leiche.

Kommissare im Kampf mit einer Untoten

Damit öffnet der Kommissar die berühmte Büchse der Pandora, und ab da beginnt der Horror. Fanny malt fortan Kreise an Wände und auf Böden. Sie legt Karten und sieht plötzlich tote Menschen, so wie der kleine Cole in "The Sixth Sense". Außerdem ergreift eine Untote Besitz von ihrem Körper. Das hat zur Folge, dass Fanny jetzt tief spricht, böse schaut und ihr ein paar Haare ausgehen. Gespenstisch und – naja – irgendwie grotesk zugleich.

Janneke, die das alles hautnah miterlebt, bekommt es jedenfalls mit der Angst zu tun. Und Brix muss im Laufe seiner Ermittlungen einsehen, dass der gesunde Menschenverstand nicht auf alle unerklärlichen Dinge eine passende Antwort parat hat. Fakt ist indes nur, dass die Lösung des Falls ausschließlich im "Haunted House" zu finden ist.

Wie angenehm, dass der Film es unterlässt, jeder offenen Frage nachzugehen. Als erfahrener Horrorfilm-Regisseur, der seine Krimi-Sozialisation durch Arbeiten für die Soko Leipzig erfahren hat, weiß Andy Fetscher, dass es nicht zu seinen Kernaufgaben gehört, Unerklärliches erklärbar zu machen. Außerdem sind bei einem Gruselschocker hanebüchene Erklärungsversuche ohnehin nicht zwingend vorgeschrieben: Denn nach Sinn und Logik sucht hier bekanntlich niemand.

Daher tut Fetscher einfach das, für das man ihn bezahlt: Er lehrt dem Zuschauer das Fürchten, jagt ihm Angst ein und kitzelt dessen Urinstinkte. Das gelingt ihm, in dem er - wie für einen Horrorstreifen üblich - mit einer geringen Darstelleranzahl arbeitet und großen Wert auf technische Kleinigkeiten wie beispielsweise einen perfekten Schnitt legt.

Außerdem bläst er fast jede Szene mit entsprechenden Sounds, die hier Unheilvolles ankündigen und dort einen seltenen Moment der Entspannung liefern, immens auf. Die nächste mutige, bemerkenswerte Episode des Hessischen Rundfunks kann also gerne kommen.

Verwandte Themen


6 Kommentare