Ex-Beatle, Songschreiber, Superstar: Sir Paul McCartney wird 75

18.6.2017, 06:00 Uhr
Ex-Beatle, Songschreiber, Superstar: Sir Paul McCartney wird 75

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Der Mann hat alles erreicht, was ein Musiker erreichen kann. Seit den Beatles-Zeiten ist er ein junggebliebener Klassiker, mit Preisen überhäuft, vom Erfolg verwöhnt. Er hat mit seiner Band "Wings" Platten veröffentlicht, Solo-Alben produziert, mit vielen anderen Künstlern kooperiert, er hat Oratorien und Ballettmusik komponiert, sich für Nachwuchsförderung und Umweltschutz engagiert und viele Welttourneen hinter sich.

Paul McCartney hätte sich schon längst zur Ruhe setzen können, aber er ist ein Getriebener und immer noch neugierig. Alle paar Jahre veröffentlicht er neue Platten, gerne auch zusammen mit jüngeren Stars. Erfolgreichstes Beispiel der letzten Zeit: Mit Rihanna und Kanye West produzierte er den Hit "FourFive Seconds". Außerdem geht er auch regelmäßig auf Tournee, um die Beatles-Sehnsucht der weltweiten Fangemeinde wenigstens ein bisschen zu stillen. Denn für ihn gilt: Einmal Beatle, immer Beatle.

John Lennon und die Schülerband

Erst letztes Jahr gab er in Deutschland ein paar umjubelte Konzerte, darunter auch in München, wo die Beatles 1966 für Massenhysterie gesorgt hatten. Besonders der junge Paul mit den braunen Rehaugen hatte es den Mädels angetan. Ein Image, unter dem er bis heute zu leiden scheint. Als verwegener Seeräuber-Onkel mit verfilzten Dreadlocks taucht er im neuen Kinofilm "Pirates of the Caribbean: Salazars Rache" auf – und ist kaum zu erkennen.

Im Juli 1957, vor fast genau sechzig Jahren, traf McCartney den etwas älteren John Lennon, der ihn einlud, bei seiner Schülerband "The Quarry Men" einzusteigen. Das waren die Vorläufer der Beatles, denen außer den beiden noch Ringo Starr und George Harrison angehörten. Es folgten die berühmten Auftritte in Hamburg und im Cavern Club in Liverpool, Pilzköpfe, smarte Outfits, hysterische Fans – und ein Hitparaden-Erfolg nach dem anderen. Sie verkauften manchmal mehr als 100.000 Platten täglich.

Ausstieg im Jahr 1970

Mit 14 verlor McCartney seine Mutter. In einem Interview beschrieb er, wie sie ihm zehn Jahre später im Traum erschienen sei und gesagt habe: "Es wird alles gut werden. Immer mit der Ruhe. Just let it be – lass es einfach gut sein." Das inspiriert ihn zur letzten Single der Beatles – "Let It Be" wird einer ihrer größten Erfolge.

Mitte der Sechziger hören die Fab Four auf zu touren, ihre Musik wird immer komplizierter und anspruchsvoller, sie liebäugeln mit östlichen Religionen und LSD. Als der Beatles-Manager Brian Epstein stirbt, fühlt sich McCartney verpflichtet, das Ruder zu übernehmen. Schließlich steigt er 1970 aus – "mein einziger Plan ist, erwachsen zu werden", verkündet er. Das ist das Ende der Beatles.

Monumentale Biografie

All das ist natürlich auch Thema in der monumentalen Biografie von Philip Norman, die anlässlich des 75. Geburtstag von Paul McCartney erschienen ist. Auf fast 1000 Seiten setzt sich der britische Journalist akribisch mit dem Leben und Werk McCartneys auseinander. Seine Detailversessenheit führt aber mitunter zu einer ermüdenden Faktenhuberei ohne großen Erkenntnisgewinn. Schade auch, dass es kein Quellenverzeichnis in dem ziegelsteindicken Buch gibt.

Norman gibt freimütig zu, dass auch er zu denjenigen zählt, die den ebenso genialen wie geschäftstüchtigen Musiker lange unterschätzt haben. Denn für viele Kritiker und Fans ist das Autorenteam Lennon/Mc Cartney zwar das Herz der Beatles, aber John Lennon der ernstzunehmendere Künstler und die charismatischere Figur der beiden. Paul galt als sein nettes, harmloses Gegenstück.

Zweifellos stimmt es, dass die künstlerische Rivalität zwischen den beiden Kumpels erst zu den musikalischen Höhenflügen der Beatles geführt hat. Aber gerne wird dabei übersehen, dass McCartney, der immer unter dieser Geringschätzung gelitten hat, die meisten der unsterblichen Melodien geschrieben hat und auch auf ein überaus respektables Solo-Werk verweisen kann. Zwar tritt McCartney spätestens seit dem Tod von John Lennon und George Harrison als Nachlassverwalter und Repräsentant der Beatles auf, aber natürlich ist sein Leben seit 1970 weitergegangen. Auch dieser Zeit schenkt Philip Norman anders als manch andere Biografen gebührende Beachtung. Zum Beispiel der Tatsache, dass "Macca" mit der schottischen Volksweise "Mull of Kintyre" einen Riesenhit landete, als überall Punk-Rock angesagt war und dass er mit seinem "Liverpool Oratorium" einen Ausflug in die klassische Musik machte.

Erwähnt wird auch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Michael Jackson, der sich dann die Musikrechte am Beatles-Katalog holte. Er zeigt den weltberühmten Musiker aber auch als Familienmenschen, der mit seiner früh verstorbenen Frau Linda die große Liebe verloren hat, mit Heather Mills in einen üblen Scheidungskrieg verwickelt war und nun mit Nancy Shevell verheiratet ist.

Der ewig jugendliche Paul muss schon lange niemandem mehr etwas beweisen, außer sich selbst. Philip Norman porträtiert "einen Workaholic und Perfektionisten, der trotz seines Ruhms immer wieder unterschätzt wurde und trotz seines unbestreitbaren Genies auf seine Art ebenso unsicher und verletzbar ist wie der ihm scheinbar so gegensätzliche John Lennon."

Philip Norman: Paul McCartney. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Piper Verlag, München. 976 Seiten mit Fotos, 32 Euro.

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