Freiwild-Konzert in der Nürnberger Arena sorgt für Wirbel

11.12.2017, 16:33 Uhr
Freiwild sind eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Bands - aber auch eine der umstrittensten.

© Fotos: Günter Distler, PR Freiwild sind eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Bands - aber auch eine der umstrittensten.

Der Eklat war perfekt. 2013 war das, als Freiwild für den Musikpreis Echo in der Kategorie Rock National nominiert waren. Kraftklub sagten ab, Die Ärzte protestieren - und die Band selbst wurde von den Verantwortlichen wieder ausgeladen. Seitdem ist das Verhältnis zwischen den Südtirolern und dem renommiertesten Musikpreis der Republik ein kompliziertes. Sie wurden eingeladen, ausgeladen, sagten ab, gewannen die Trophäe - doch über all dem schwebt der Vorwurf: Freiwild sind rechtsradikal. 

"Sie sind nachweislich rechtsoffen und völkisch-national", sagt Holger Watzka. Er kennt sich aus in der deutschen Musikszene, übernimmt die Buchungen für das Erlanger E-Werk, einem der größten Clubs in der Region. "Freiwild spielen geschickt mit rechten Klischees, sie bewegen sich in einer Grauzone."

Freiwild-Konzert in der Nürnberger Arena sorgt für Wirbel

© Kilian Reil

Im kommenden Jahr gehen Freiwild auf Tour durch Deutschlands Hallen, große Hallen. Darunter auch: die Arena Nürnberger Versicherung. Das stößt Holger Watzka sauer auf. "Man muss sich nur bewusst machen, auf welchem Gelände die Halle historisch gesehen steht", sagt er. "Ich halte es einfach für überflüssig, oder anders gesagt: fahrlässig." 

"Hier wird mit einem Image gespielt"

Watzka nimmt besonders die Verantwortlichen der Arena in die Pflicht, fordert von ihnen klare Kante. Man müsse sich sich selbstverständlich als Veranstaltungshalle Gedanken machen, wem man ein Forum biete. "Das ist anstrengend und kann auch kontrovers enden", sagt der 46-Jährige, der in Nürnberg lebt. "Aber ich denke gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir einen erschreckenden Populismus und einen Rechtsruck in der Gesellschaft erleben, sollten Kultureinrichtungen sich klar positionieren."

Auch David Lodhi sieht das Konzert kritisch.

Auch David Lodhi sieht das Konzert kritisch. © Eduard Weigert

Mit seiner Kritik ist Watzka nicht alleine. Auch David Lodhi, Verantwortlicher des Club Stereo und Veranstalter des Festivals Nürnberg.Pop, spricht von einem falschen Signal, dass die Stadt mit einem solchen Konzert aussendet - gerade in einer Zeit, in der man sich um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt bewirbt. Ein Mitspracherecht hat die Stadt aber natürlich nicht, bei der Arena handelt es sich um einen privatwirtschaftlichen Betrieb.

Arena: "Kunst darf Stein des Anstoßes sein"

"Hier wird mit einem Image gespielt, das Menschen, die keine demokratischen Grundwerte vertreten, anspricht", sagt Lodhi. "Stünde die Band wirklich gegen Extremismus, müsste sie sich direkt auflösen, wenn sie sich mal eine Stunde ihr eigenes Publikum anschaut." Dort würden sich Extreme nur so tummeln. "Die einzige Verantwortung der Arena-Verantwortlichen, die ich sehe und die für mich zählt, ist es, dieses Konzert abzusagen."

Will bei der Auswahl der Mieter keine politischen Entscheidungen treffen: Jürgen Fottner von der Arena.

Will bei der Auswahl der Mieter keine politischen Entscheidungen treffen: Jürgen Fottner von der Arena. © Harald Sippel

Die Arena sieht das anders. Natürlich mache man sich permanent Gedanken, wem man in der bis zu 11.000 Menschen fassenden Halle Raum bietet, sagt Geschäftsführer Jürgen Fottner. Aber: "Unsere Leitlinie ist, dass wir uns nicht in politische Diskussionen einmischen können. Aus unserer Sicht darf Kunst durchaus auch einmal Stein des Anstoßes sein."

Bislang wurde kein Song von Freiwild von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, kurz BPjM, indiziert. Auch beim Verfassungsschutz war die Südtiroler Band nie öffentlich Thema. "Dass da eine Band kommt, die das Potential hat zu polarisieren und an deren Texten man sich sicher reiben kann, dessen waren und sind wir uns bewusst", sagt Fottner. "Das Etikett 'Neonazi-Band' geht jedoch an der Sache vorbei und hilft uns damit überhaupt nicht in einem differenzierten Diskurs." 

Freiwild: "Zählen uns zur konservativen Mitte"

Eben jenes Etikett haftet aber an Freiwild, nicht erst seit dem Echo-Eklat. "Wir zählen uns zur konservativen Mitte", sagt Frontsänger Philipp Burger. "Unsere Einstellung zu jedweden Themen, ganz egal ob zu Politik oder anderen gesellschaftlichen Themen ist eine für uns immer unserer Vernunft, unserem Verstand, unserer Erfahrung und vor allem unserem Herz entspringende." Freiwild wolIen sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Und überhaupt: "Wir thematisieren politische Inhalte tatsächlich weit weniger, als uns immer vorgeworfen wird." 


"Es geht nur um den Erhalt von Feindbildern" - das sagen Freiwild zur Nazi-Kritik.


Die Kritik, sie sei völkisch, nationalistisch und rechtsradikal, nervt die Band. "Im Grunde interessiert unsere Kritiker eh nicht, was wir sagen, tun, singen, machen oder eben nicht", sagt Burger. "Es ist scheinbar einfacher, löblicher und geiler, Menschen abzustempeln, zu katalogisieren, zu kategorisieren und permanent durch den Dreck zu ziehen, obwohl es offensichtlich ist, dass diese keine extremen Ansichten haben, als diesen Menschen etwas Zeit und Recherche zu schenken." 

Die Vergangenheit lässt gerade den Frontsänger von Freiwild nicht los. Philipp Burger, geboren in Brixen, Südtiroler, 36 Jahre alt. Bis 2001 sang er in der bekennenden Rechtsrock-Band Kaiserjäger, stand der Skinhead-Szene nahe. Kaiserjäger lösten sich nach einer Massenschlägerei bei einem Konzert zwischen deutschen und italienischen Neonazis auf. Burger kehrte der Szene den Rücken, spricht in einem Interview von der "beschissensten Zeit meines Lebens." 

Veranstalter sagt: Band ist politisch sauber

Auch der Veranstalter Global Concerts, der für Freiwild die Arena gebucht hat, spricht von einem "fatalen Weg", den Burger damals eingeschlagen habe. Eben das sei aber der einzige Vorwurf, den man der Band machen könne. "Diesen hat er aber vor vielen Jahren bereits beendet, zutiefst bereut und würde diesen gerne rückgängig machen", teilt Gocal Concerts mit. Man habe sich "sehr intensiv" mit dem Thema beschäftigt. "Für uns wäre es absolut ausgeschlossen, mit einer Band zusammenzuarbeiten, die politisch nicht sauber ist." 

Es geht viel um Heimat in den Songs von Freiwild. Ein Begriff, der auch in der deutschen Politik erst kürzlich wieder hitzig diskutiert wurde. "Die Mitglieder der Band sind Südtiroler", sagt der Veranstalter Global Concerts. "In dieser kleinen italienischen Region gibt es historisch bedingt eine viel intensivere Heimatverbundenheit als in Deutschland." Gerade vor diesem Hintergrund seien die Texte keinesfalls mit "über deutschnationaler Verirrung zu verwechseln".

"Schwache Charaktere brauchen Feindbilder"

Von Extremismus distanziert haben sich Freiwild immer wieder. Geglaubt hat man es der Band nie. Halbherzig sei das gewesen, sagen Kritiker. "Das ändert sich auch nicht mehr", sagt Burger. "Schwache Charaktere brauchen immer Feindbilder. Genau wie Nazis auch immer Leute zum Jagen, zum Verfolgen und Runtermachen brauchen, benötigen Moralapostel auch immer Schuldige, die sie selbst in ein besseres und noch unschuldigeres Licht stellen sollen."

Freiwild-Konzert in der Nürnberger Arena sorgt für Wirbel

© Hans von Draminski

Holger Watzka hält dagegen. "Lieder wie 'Land der Vollidioten' und 'Wahre Werte' zeigen deutlich, wie reaktionär der Heimatbegriff ist, den Freiwild definieren." Besonders wegen des kommerziellen Erfolges habe die Band sich zwar bemüht, Abstand zum Image der deutschen Rechtsrockszene zu gewinnen. "Gleichzeitig schafft sie es aber immer wieder, aktuelle Themen der Rechtspopulisten zu bedienen." Das sei deutlich zu sehen im Video zum aktuellen Song "Macht Euch endlich alle platt", in dem sich Freiwild gegen jede Form von Extremismus stark machen. "Gezeigt werden aber zu 90 Prozent Straßenkämpfe von 'Linken'."

Ein anderer Kulturschaffender aus Nürnberg sieht das Freiwild-Konzert in Nürnberg deutlich gelassener: Peter Harasim, Geschäftsführer des Concertbüro Franken. "Objektiv sind sie keine Nazi-Rocker", sagt er. "Unappetitlich und künstlerisch völlig irrelevant" sei die Band zwar durchaus, das sei aber noch lange kein Grund, sie an Konzerten zu hindern. "Sie haben sich deutlich gegen Extremismus jeder Art, aber auch explizit gegen Flüchtlingsfeindlichkeit gewendet." 'Political Correctness', so der Konzertveranstalter, darf sich nicht dadurch erschöpfen, dass man auf diejenigen eindrischt, auf die es ohnehin jeder abgesehen hat.

Auch Harasim hat sich früher deutlich gegen deutsche Bands positioniert, etwa gegen die Böhsen Onkelz. "Damals vielleicht richtig", sagt er, "aber heute ist es unzumutbar, sich gegen diese Band auszusprechen." Mittlerweile haben 'die Onkelz' die meisten Leute in ihrer Gesinnung links überholt. "Jeder hat in seinem Bekanntenkreis einen, der sich innerhalb von Dekaden vom Rechten zum Linken oder zumindest zum Demokraten gewandelt hat - genauso wie mancher Autonome Jahrzehnte später plötzlich ein Reaktionär ist."

"Simpler, gewalt bejahender Populismus"

Neben der Rechtsoffenheit, sagt Holger Watzka, habe Freiwild ein weiteres Problem: die Gewalt. Erneut sei "Macht Euch endlich alle platt" ein Beispiel, das Bände spreche. Dort heißt es: 

"Macht euch endlich alle platt
Ihr geht uns allen auf den Sack
Haut euch die Knüppel in die Schnauze
Scheiß Extremistenpack!"

"Das ist für mich simpler, Gewalt bejahender Populismus", sagt Watzka. "Kann man schön mitgrölen und sich dabei auch mal denken 'Ich hau Euch den Knüppel in die Schnauze'." Mit Distanzierung habe das rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: "Das ist genau die Auseinandersetzung mit Extremismus, die niemand braucht." Ein weiteres Beispiel ist "Rache muss sein" - ein Auschnitt aus dem Text:

"Denn heut' verhaue ich Dich
schlag Dir mein Knie in deine Fresse rein.
Heut' vermöbel ich Dich,
Zähne werden fallen durch mich.
Und ich tret' Dir in deine Rippen,
schlag mit dem Ellbogen auf Dich ein.

Tut mir leid mein Freundchen,
aber Rache muss sein, die muss sein.
Jetzt liegst Du am Boden, liegst in deinem Blut."

Die Gewalt ist allgegenwärtig im Freiwild-Kosmos - allerdings auch gegen die Band und ihre Fans. Im Leipziger Stadtteil Connewitz, der als eher links gilt, attackierten Unbekannte kürzlich zwei Männer wegen einer Jacke mit der Aufschrift "Freiwild". Einem Opfer wurden laut der Polizei zwei Ohrringe brutal herausgerissen. Immer wieder prügelten die Täter auf die Männer ein, ließen sie schwer verletzt und bewusstlos vor einem Hauseingang liegen.

"Die Jagd nimmt teilweise erschreckende Züge an", sagt Sänger Philipp Burger und wird deutlich: "Das sind SS-Methoden, das ist die moderne Form von Hexenjagd." Medien, sagt der Musiker, sollten diesen Umstand hinterfragen und sich nicht auf Freiwild einschießen.

Natürlich könne man zu Freiwild verschiedene Ansichten haben, sagt Jürgen Fottner von der Arena. "Man kann, darf und soll über die eine oder andere Textzeile ihrer Lieder differenziert diskutieren, das tun wir innerhalb des Teams auch." Ein Verbot aber, so der Geschäftsführer der Halle, sei der grundsätzlich falsche Weg. "Wir als Vermieter können keine politischen Entscheidungen treffen."

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