Gebrochene Herzen: Stille Töne beim "Tatort" aus Berlin

16.9.2018, 21:40 Uhr
War es ein Unfall? Die Bloggerin Charlie (Stefanie Stappenbeck) findet an einem eiskalten Wintertag im Wald die tote Joggerin Carolina Gröning (Tatiana Nekrasov).

© rbb/Conny Klein War es ein Unfall? Die Bloggerin Charlie (Stefanie Stappenbeck) findet an einem eiskalten Wintertag im Wald die tote Joggerin Carolina Gröning (Tatiana Nekrasov).

Nachdem es die Kommissare in ihrem vergangenen, abermals sehr actionreichen Einsatz mit einem Mord innerhalb der Filmbranche zu tun bekamen - was dazu führte, dass die zwei Fahnder dank einer offiziellen Drehgenehmigung sogar auf dem roten Teppich der Berlinale ermitteln durften - schlägt der achte Film mit Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) deutlich leisere Töne an.

"Tiere der Großstadt" ist im Gegensatz zum rasanten "Meta", in dem sämtliche Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwammen, und Regisseur Sebastian Marka seine Protagonisten auf einen abenteuerlichen Fahndungstrip quer durch die Hauptstadt schickte, ein eher zurückhaltender und emotionaler Film, der zwei getrennt voneinander stattfindende Ereignisse genau betrachtet, sie seziert und dann doch auf eine gewisse Art und Weise miteinander in Verbindung bringt.

Zwei verschiedene Handlungsstränge

Im ersten Handlungsstrang kommt Tom Menke (Martin Baden), Inhaber eines vollautomatisiert betriebenen Coffee-Shops direkt am Ku'damm, beim Warten seines Bedienroboters ums Leben. Karow und Rubin müssen herausfinden, ob es sich dabei lediglich um einen tragischen Unfall handelt oder ob jemand die Maschine manipuliert hat.

Mit dem Auffinden der Leiche von Carolina Gröning (Tatiana Nekrasov) kurze Zeit später im Grunewald beginnt schließlich der zweite Handlungsstrang. Da sich herausstellt, dass die junge Joggerin ebenfalls nicht durch die Hände eines anderen Menschen zu Tode gekommen ist, sondern an einem Wildschweinbiss verblutete, landen somit zwei nicht gerade alltägliche Fälle auf dem Schreibtisch der Kommissare.

Manipulation durch Maschinen

Auch wenn beide Geschichten zunächst sehr unterschiedlich daherkommen und sich so der Eindruck aufdrängt, die Fälle stünden in keinerlei Verbindung, findet sich tief im Kern der zwei Handlungsabläufe eine sich ähnelnde Thematik. Autorin Beate Langmaack lässt in diesem für Berliner Verhältnisse sehr gemächlich dahinfließenden "Tatort" zwei Ur-Ängste aufeinanderprallen.

Ihr im Pressedossier abgegebenes Statement, in dem sie betont, sie wolle in "Tiere der Großstadt" "die Angst vor der zerstörerischen Wucht der Natur" thematisieren und ihr "die Angst vor einer Zukunft, in der Maschinen, die nur noch von wenigen Spezialisten beherrschbar sind, uns massiv manipulieren" gegenüberstellen, klingt im ersten Moment zwar etwas abstrakt und intellektuell. Die Umsetzung dieser Idee geht im Film allerdings optisch wie inhaltlich recht gut auf.

Stille Töne aus Berlin

Die sich getrennt voneinander abspielenden Fälle kennzeichnet aber noch ein weiteres verbindendes Element. Es sind die gebrochenen Herzen, die in den Menschen wohnen, die hinter den zu Tode gekommenen Personen stehen. Karows und Rubins Ermittlungsarbeiten geben diesen Blick Stück für Stück frei. Einen Blick, der dem Zuschauer verzweifelte "Tiere der Großstadt" im "Zoo" Berlin offenbart, und der klarmacht, dass die zwei Kommissare ebenso verzweifelt sind, wie die, die ihren Weg kreuzen.

Denn Rubin betrauert nach wie vor das Scheitern ihrer Ehe. Ihr fehlt die Familie, die sie als ihre kugelsichere Weste braucht. Karows Leiden ist dagegen nicht derart deutlich auszumachen. Seine Trauer zeigt sich seinem geheimnisvollen Charakter entsprechend zumeist nur anhand von Andeutungen wie beispielsweise durch einen schwarz umrahmten Brief, der auf dem Esstisch liegt. Offenkundiger wird seine innere Gefühlslage durch tiefe Gespräche, die er mit der Witwe des ersten Opfers und einem Zeugen führt, der das Geschehen im Kiosk von seiner hochgelegenen Wohnung aus verfolgen konnte.

Emotionales Bild einer Großstadt

Die Rolle des alten Mannes, der seine Unterkunft kaum mehr verlässt und sich "da oben wie in einem Zwischenreich auf halbem Wege in den Himmel" wähnt, spielt übrigens der fast 90-jährige Horst Westphal. Mit einer imponierenden Aura mimt er den Greis, der sich zwar an alles erinnern kann, hin und wieder jedoch die Reihenfolge der beobachteten Ereignisse etwas durcheinander bringt.

Zu den wunderbaren Tönen des Meisterproduzenten Nils Frahm und dank Max Knauers eindringlicher Aufnahmen zeichnen Autorin Langmaack und Regisseur Richter ein wirklich sehr emotionales Bild einer Großstadt. Damit kreieren sie zwar einerseits einen wenig spannenden, andererseits aber einen unglaublich malerischen, ausgesprochen wirkungsvollen "Tatort", in dem Berlin neben den beiden Ermittlern weiterhin als dritter Hauptdarsteller glänzt.

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