Geist der Aufklärung

11.4.2014, 00:00 Uhr
Geist der Aufklärung

© Georg Pöhlein

Wer Deschner in seiner kleinen Haßfurter Wohnung, die fast nur aus Büchern bestand, begegnete, traf auf einen bescheidenen, freundlichen, leisen, fast scheuen Mann. Kaum zu glauben, dass dieser bedächtige Franke das Zeug haben sollte, sich dermaßen massiv mit der ältesten Institution der Erde anzulegen.

Doch in seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“ war er ein scharfzüngiger Sezierer und wütender Anprangerer religiöser Missstände. Für sein Hauptwerk, ursprünglich als vierbändige Ausgabe gedacht, konnte er mit allerletzten Lebenskräften und mit Unterstützung von Michael Schmidt-Salomon noch den elften (wie immer dickleibigen) und jetzt abschließenden Band „Die Politik der Päpste“ vollenden. Bei der Lektüre konnte man sich des Eindrucks nicht erwähren, dass gegenüber den Kleriker-Banden sogar Mafia-Brüder nur Waisenknaben sind.

Kritiker warfen Deschner deshalb immer wieder Einseitigkeit, einen Tunnelblick und ein geradezu manisches Abarbeiten an der eigenen katholischen Sozialisation in seiner Geburtsstadt Bamberg vor. Selbst kirchenkritische Geister wie Hans Küng oder Uta Ranke-Heinemann gingen zu Deschners Polemiken auf Distanz.

Als der Autor 2004 den Wolfram-von-Eschenbach-Preis des Bezirks Mittelfranken zuerkannt erhielt, ließen die Proteste nicht lange auf sich warten. Nicht nur Michael Wehrwein, evangelischer Dekan in Lohr, forderte das Bezirksparlament auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Laudator Karl Corino wies bei der Verleihung darauf hin, dass es ein Paradox sei, dass Deschner zwar in viele Sprachen übersetzt werde, eine nach Millionen zählende Leserschaft habe, aber wirtschaftlich auf die Unterstützung von Mäzenen angewiesen sei.

Auf der anderen Seite machte ihn sein beherzter Kampf gegen das Christentum zum Idol der „Humanistischen Bewegung“. Die Giordano Bruno Stiftung benannte 2004 einen Preis nach Deschner für Persönlichkeiten, die sich im besonderen Maß „säkularem Denken und Handeln“ widmen.

Der Zögling der Franziskaner in Dettelbach am Main, der am Gymnasium auf dem Stephansberg in Bamberg 1942 das Abitur ablegte, begann hier 1947 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule das Studium. Der Bruch mit der Kirche erfolgte 1951 als ihn der Würzburger Bischof Julius Döpfner wegen der Ehe mit einer Geschiedenen exkommunizierte.

Schade ist, dass sein belletristisches Werk durch die Arbeit an der „Kriminalgeschichte“ völlig verkümmerte. Mit den Romanen „Die Nacht steht um mein Haus“ (1956) und „Florenz ohne Sonne“ (1958) brachte er Juwelen der unmittelbaren Nachkriegsliteratur hervor. Unbeschreiblich gut war Deschner auch als Aphoristiker, was in Anthologien wie „Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom“, „Ärgernisse“ oder „Mörder machen Geschichte“ einfloss.

Im Alter bekannte der Vegetarier öfter, dass er sich heute wohl nicht mehr am Christentum abarbeiten, sondern einen Kampf für die Lebensbedingungen der Tiere führen würde.
 

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