Günter Grass ist so populär wie nie

8.4.2016, 19:05 Uhr
Günter Grass ist so populär wie nie

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Die mahnende Stimme von Günter Grass ist verstummt. Doch ein Jahr nach seinem Tod sind die Arbeiten des Literaturnobelpreisträgers begehrter denn je. Die Nachfrage nach seinen Büchern ist sprunghaft angestiegen, auch das Günter-Grass-Haus in Lübeck bekommt viele Anfragen. Zum ersten Todestag des Schriftstellers und bildenden Künstlers am 13. April ruft das Grass-Haus eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben.

„In der langen Nacht für Günter Grass werden jedes Jahr an seinem Todestag Freunde und Weggefährten über die unterschiedlichen Facetten seines Werkes und seiner Person sprechen“, sagt der Leiter des Hauses, Jörg-Philipp Thomsa. Zum Auftakt der Reihe am ersten Todestag werden unter anderem der Kritiker Hanjo Kesting, der Autor Christof Siemes („Das Wunder von Bern“), die Theaterverlegerin Maria Sommer und Benjamin Lebert, Stammgast des von Grass gegründeten Lübecker Autorentreffens, erwartet.

Günter Grass ist so populär wie nie

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Grass war am 13. April 2015 im Alter von 87 Jahren in Lübeck gestorben. Im Günter-Grass-Haus sind die Werke des Literaturnobelpreisträgers weiterhin präsent. Seit Ende März ist dort eine Ausstellung mit Arbeiten aus seinen Lehrjahren an der Düsseldorfer Kunstakademie zu sehen. „Seit seinem Tod ist das Grass-Haus verstärkt zum Erinnerungsort geworden, gerade für Besucher aus dem Ausland“, sagt Thomsa. Der 1927 in Danzig geborene Schriftsteller, der nach 1945 zunächst Bildhauerei und Grafik in Düsseldorf studierte, verfasste Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke. Zu den bekanntesten Werken gehören sein Debütroman „Die Blechtrommel“, „Das Treffen in Telgte“, „Die Rättin“, „Der Butt“, die Novelle „Im Krebsgang“ sowie sein autobiografisches Buch „Beim Häuten der Zwiebel“, in dem er unter anderem seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS offenbarte.

Für viel Wirbel sorgte auch sein Gedicht „Was gesagt werden muss“, in dem er die Atompolitik der israelischen Regierung kritisierte – und ihm den Vorwurf des Antisemitismus eintrug. 1999 war Grass mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Das verstärkte Interesse an den Werken von Günter Grass spürt auch sein Hausverlag Steidl in Göttingen. „So zynisch es ist, aber immer, wenn ein großer Autor stirbt, steigt die Nachfrage nach seinen Büchern, auch im Ausland“, sagt Verleger Gerhard Steidl. Das sei auch bei Grass nicht anders.

Die weltweite Auflage von Grass' Büchern liegt nach Angaben des Verlages aktuell bei etwa 40 Millionen Exemplaren. Die Zahl dürfte noch steigen, denn Grass habe seinen Lesern noch einiges hinterlassen, sagt Steidl. Ob seine Tagebücher ebenfalls veröffentlicht werden, sei jedoch noch unklar. Kurz vor dem ersten Todestag des Schriftstellers ist die „Trilogie der Erinnerung“ erschienen, die seine drei autobiografischen Romane „Beim Häuten der Zwiebel“, „Die Box“ und „Grimms Wörter“ in einem Band zusammenfasst. „Diese Trilogie hat Grass noch selbst konzipiert“, sagt Steidl. Ebenfalls noch unter dessen Mitwirkung vertonte der Jazz-Musiker Günter „Baby“ Sommer den Roman „Grimms Wörter“. Am 17. April soll das Stück in Lübeck zum ersten Mal gezeigt werden. Auch in Behlendorf, dem langjährigen Wohnort von Günter Grass, ist das Interesse an seiner Person spürbar. „Immer wieder kommen Menschen, die sehen wollen, wie sich die Landschaft rund um Behlendorf in seinen Werken widerspiegelt“, sagt Andreas Henschel, der Bürgermeister von Behlendorf.

Grass und seine Frau Ute lebten ab 1995 in dem Dorf rund 20 Kilometer südlich von Lübeck. Auf dem dortigen Friedhof ist der Schriftsteller begraben. „Viele Gäste besuchen auch sein Grab und stellen Blumen hin, aber eine Pilgerstätte ist es nicht“, sagt Henschel. Anders sieht es dagegen im 2002 eröffneten und 2012 neu konzipierten Grass-Haus in der Lübecker Altstadt aus. „2015 kamen rund 30 000 Besucher, in den Jahren davor waren es zwischen 20 000 und 25 000 im Jahr“, sagt Museumsleiter Thomsa. Dazu kommen zahlreiche Ausstellungsanfragen aus dem Ausland. Das Haus besitzt mehr als 1200 Grafiken aus dem bildkünstlerischen Nachlass von Grass. „Die Menschen im In- und Ausland sind neugierig geworden und wollen mehr über Günter Grass erfahren.“

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