"Haus des Geldes": Spaniens Antwort auf "Ocean's Eleven"

19.4.2018, 16:59 Uhr
Gelingt ihnen der größte Raub der Geschichte? Im Auftrag eines mysteriösen Mannes sollen in "Haus des Geldes" acht Gangster-Profis die spanische Banknotendruckerei überfallen und 2,4 Milliarden Euro erbeuten. In Deutschland löste die spanische Serie einen Hype aus. Netflix will das Format nun verlängern.

© Netflix Gelingt ihnen der größte Raub der Geschichte? Im Auftrag eines mysteriösen Mannes sollen in "Haus des Geldes" acht Gangster-Profis die spanische Banknotendruckerei überfallen und 2,4 Milliarden Euro erbeuten. In Deutschland löste die spanische Serie einen Hype aus. Netflix will das Format nun verlängern.

Immer weiter expandiert der Streaming-Dienst Netflix in alle Welt. Wenn sich der US-amerikanische Video-On-Demand-Anbieter dann erst einmal in neuen Märkten niedergelassen hat, bemüht er sich insbesondere in den großen Ländern darum, rasch Eigenproduktionen an den Start zu bringen, um möglichst schnell neue Abonnenten zu gewinnen. Auf einer Presseveranstaltung kündigte Netflix nun die Verlängerung zahlreicher Formate und die Produktion vieler neuer Serien an. Darunter befand sich auch eine Serien-Adaption des Romans "Die Welle", die 2019 erscheinen und die dritte Netflix-Serie aus Deutschland darstellen soll. Eine Neuigkeit sorgte für eine besonders große Überraschung: Der Streaming-Anbieter übernimmt die spanische Produktion "Haus des Geldes" und setzt sie fort.

Um zu erklären, warum die Reaktion auf diese Meldung sowohl Jubel als auch Unverständnis und sogar Ärger auslöste, muss man weiter ausholen. Fakt ist: In Deutschland sorgte "Haus des Geldes" für einen echten Hype. Das Format handelt von einem mysteriösen Mann, der sich selbst "Professor" nennt und acht Spezialisten anheuert, um den größten Raubüberfall in der Geschichte Spaniens zu begehen. Die Profi-Gangster sollen die spanische Banknotendruckerei infiltrieren, sich darin abschotten und eigenhändig das Geld drucken, dass sie später entwenden sollen – im Umfang von sage und schreibe 2,4 Milliarden Euro. Hierfür brauchen die acht Verbrecher, die sich selbst nur mit Codenamen großer Weltstädte ansprechen, elf Tage Zugriff auf das Gebäude und die darin befindlichen Gelddrucker. Mit einem ausgefuchsten Plan halten sie die Behörden hin und führen sie gekonnt hinters Licht...

Eine Maßstäbe setzende Heist-Serie

Aufgrund des spektakulär geplanten Coups erinnert "Haus des Geldes" an manchen Stellen an die Heist-Movie-Reihe "Ocean's Eleven" von Steven Soderbergh. Damit wird man der von Álex Pina erdachten Serie jedoch nicht gerecht, denn besonders die Zwischenmenschlichkeiten und der emotionale Tiefgang innerhalb der Gangstergruppe sorgen für die Highlights der Serie, die sich gerade in Deutschland unter Netflix-Abonnenten vom Geheimtipp zur Serien-Sensation entwickelte. Als die ersten, je 50 Minuten umfassenden, 13 Episoden am 22. Dezember 2017 gerade auf Netflix erschienen waren, schenkte noch kaum einer hierzulande dem Format Beachtung – auch weil man der Serie ihre spanische Herkunft unmittelbar anmerkt. Im frühen Jahr 2018 sprach sich "Haus des Geldes", das im Original "La casa del papel" heißt, dann herum wie ein Lauffeuer und gespannt warteten Tausende von Fans auf die verbleibenden neun Episoden, die Netflix am 6. April 2018 nachlieferte.

Dass von "verbleibenden" Episoden die Rede ist, hat einen guten Grund. Eigentlich sollte "Haus des Geldes" nämlich gar nicht fortgesetzt werden. Serienschöpfer Pina konzipierte die Thriller-Serie ursprünglich über nur 15 Ausgaben für den spanischen Sender Antena 3 als in sich abgeschlossene Mini-Serie. Netflix kaufte die Episoden daraufhin auf, ließ sie auf eine kürzere Laufzeit umschneiden und teilte sie. Nach der Ankündigung von Netflix, die Serie ganz übernommen zu haben und schon 2019 neue Episoden präsentieren zu wollen, fühlten sich viele Fans vor den Kopf gestoßen.

Sie werfen dem Streaming-Dienst nun vor, mit der Verlängerung die metaphorische Serien-Kuh solange weiter melken zu wollen, bis sie keine Milch mehr gibt. Für Netflix mag sich das aus finanzieller Sicht rentieren, inhaltlich könnte diese Vorgehensweise aber zum Totalschaden führen. "Haus des Geldes" wäre nicht die erste Serie, die ihren Zenit überschritten hat, dies nicht merkte und munter weitersendete - "jump the shark" nennt man das in der Serienwelt. Dieses Schicksal ereilte Publikumslieblinge wie "Prison Break", "Lost" oder "Dexter". Zuschauer, die es mit "Haus des Geldes" halten, fürchten nun, dass die Verlängerung dem Erbe der Serie nachhaltig schaden könnte und dass die spanische Serie vom Qualitäts-Hit ins Mittelmaß abrutscht. Ähnliches geschah bereits, als Netflix den Comedy-Kult "Arrested Development" vom US-Fernsehen in seine Mediathek holte und fortsetzte.

Vom Serien-Meilenstein zur Massenware?

Tatsächlich beantwortet das Ende der bereits produzierten und abgesendeten Ausgaben nämlich im Grunde alle Fragen dieses überaus packenden Formats, das nicht umsonst weit über die Grenzen der iberischen Halbinsel hinaus Beachtung fand. "Haus des Geldes" zeigt ein ungemein spannendes und unberechenbares Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gangstern und Staatsgewalt. Gerade wenn man denkt, eine der beiden Parteien erringe den Sieg, zieht die andere ein Ass aus dem Ärmel. Auch die Liebe, die in anderen Thrillern oder Krimis häufig gezwungen wirkt und den Sehgenuss in kommerzielleren Produktionen sonst nur schmälert, wurde hier harmonisch eingefügt. So führt die Liebesgeschichte zwischen zwei der Verbrecher zu Komplikationen während des Raubs und der Drahtzieher der Gangsterbande lässt sich mit der im Fall ermittelnden Kommissarin ein, was für großartige Momente sorgt. Dabei ist die Handlung nie wirklich komplex. "Haus des Geldes" verlässt sich auf Genre-Klischees, setzt diese aber auf moderne und zielgruppengerechte Art und Weise um. Die perfekte Serie für die Generation Binge-Watching.

Auch eine politische Komponente und zahlreiche Referenzen bietet "Haus des Geldes". So verkörpern die ganz in Rot gekleideten Bankräuber den Sozialismus, die Gesetzeshüter dagegen den Kapitalismus. Später singen die Gangster inbrünstig "Bella Ciao", ein Lied der anarchistischen, kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegung. Zudem zollt die Serie Genre-Kollegen wie Quentin Tarantinos "Reservoir Dogs" Tribut. "Haus des Geldes" könnte ein Serienmeilenstein sein, doch Netflix gefährdet nun dessen Platz in der Geschichte. Doch wenn die Verantwortlichen etwas von dem Format gelernt haben, dann sind es unerwartete, geniale Wendungen. Schafft Netflix den Plot-Twist und setzt "Haus des Geldes" doch würdig fort?

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