Heinz Rudolf Kunzes bemerkenswertes Konzert in Nürnberg

2.9.2018, 19:10 Uhr
Liedermacher und Sprachakrobat: Heinz Rudolf Kunze bei seinem Solo-Auftritt im Nürnberger Serenadenhof.

© Stefan Hippel Liedermacher und Sprachakrobat: Heinz Rudolf Kunze bei seinem Solo-Auftritt im Nürnberger Serenadenhof.

Einen wie ihn muss man in diesen Zeiten suchen. Einen, der trotz allem an die Macht des Wortes glaubt und an die Wirkung der Musik. Einen, der angesichts der Zustände auf der Welt weder den Verstand noch die Hoffnung verliert. Einen, der auf Unterhaltung setzt und Haltung bewahrt. Einen, der sich nicht verbiegen lässt.

Kunze, der seine Karriere zur Zeit der Neuen deutschen Welle begann, gehört mit 61 Jahren längst zur alten Garde der deutschen Musikszene. Der Spagat als Liedermacher und Rocksänger ist ihm dabei mal mehr, mal weniger gut gelungen. Fest steht, dass er nach wie vor etwas zu sagen hat.

"Einstimmig"

Vor kurzem erst ist sein Pop-Album "Schöne Grüße vom Schicksal" erschienen. Das präsentiert Kunze nächstes Jahr mit großer Band auf einer Deutschland-Tournee. Die Zeit bis dahin nutzt er für seine Solo-Shows. Aus der ursprünglichen Verlegenheitslösung ist ein eigenes Format entstanden, das seine Fangemeinde besonders zu schätzen weiß. Das Motto lautet "Einstimmig", "Eigensinnig" würde auch passen. 

Das Programm ist eine Zumutung im positiven Sinn - für den Künstler ebenso wie für seine Zuhörer: Fast drei Stunden langt singt, spricht und spielt Heinz Rudolf Kunze ohne Pause - eine anstrengende Konzentrationsübung für alle Beteiligten. Schließlich serviert Kunze alles andere als leichte Kost. An diesem kühlen Abend zeigt sich wieder einmal, dass er nicht nur ein eindringlicher Sänger, sondern auch ein prima Musiker ist. Anfangs beweist er das auf verschiedenen Gitarren, nach einer Stunde wechselt er dann an den Konzertflügel.

Bis heute ist er unberechenbar geblieben

Los geht’s mit dem guten, alten "Balkonfrühstück", einem frühen Lied aus dem Jahr 1980 über das Gewerbegebiet Nürnberg-Süd. Und es endet mit der ebenso alten "Bestandsaufnahme", mit der Kunze schon als junger, zorniger Mann frühreif die Bilanz seiner Generation gezogen hat. Dazwischen gibt es eine eindrucksvolle Kunze-Werkschau der vergangenen vier Jahrzehnte bis heute. Längst zählen viele seiner Songs zum deutschen Liedgut - und seine Stimme gehört zu den unverwechselbaren in diesem Lande.

An seinem Vaterland hat sich Kunze immer wieder abgearbeitet, so wie er sich an seiner Muttersprache gerieben hat. Unberechenbar ist er bis heute geblieben, auch wenn er politisch Stellung nimmt. Ein Gespenst geht um in Europa. Das Flüchtlingsdrama und das Versagen der Politik machen auch ihn ratlos, wie seine sarkastischen Sprech-Texte deutlich machen. Nur eines ist ihm klar: Deutschland wird sich, muss sich verändern.

Seine kabarettreifen Prosa-Texte setzen oft auf surreale oder absurde Verfremdungseffekte, die nachdenklichen, selbstironischen, auch resignativen Töne sind dabei nicht zu überhören. Manchmal hätte man sich gerade jetzt von Kunze schärfere politische Ansagen gewünscht.

Der Musiker ist ein Spezialist für Lieder, die mit vielen Zitaten spielen und viele Fragen offen lassen. Er liebt Gedanken- und Rollenspiele, einfache Antworten sind ihm verdächtig. Im Grunde seines Herzens freilich ist der dünnhäutige Zyniker und Selbstzweifler ein deutscher Romantiker. Das verraten seine poetischen, gegen den Strich gebürsteten Liebeslieder, die zu den schönsten in deutscher Sprache zählen. Dazu gehört sein größter Hit-Erfolg "Dein ist mein ganzes Herz", aber auch "Wenn du sie siehst". Und geschickt baut er immer wieder mal ein kurzes Zitat als Hommage an seine Helden wie die Kinks, The Who oder Bob Dylan ein. 

Heinz Rudolf Kunze geht weiterhin seine eigenen Wege, ein Ende ist nicht abzusehen. Mal mit Verstärkung, mal ganz allein. Das Publikum bedankte sich dafür mit einer Standing Ovation.

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