Heiß: "Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox"

11.4.2017, 19:22 Uhr
Heiß:

© Horst Linke

Eine PMJ-Show soll sein wie eine Silvesterparty in den 1940ern mit Frank Sinatra und dem Rat Pack. Sagt Scott Bradlee, der diesen RetroJazz-Remix-Zirkus erfunden hat und hinter den Kulissen die Fäden zieht. Auf Tour ist er gar nicht dabei ist, er schraubt lieber im Studio an neuen Streichen, während eine ständig wechselnde Truppe seinen Traum als Marke hinaus in die Welt trägt. Das klappt soweit ganz prima. Veränderung als Konzept, so läuft das auch in der gut gefüllten Nürnberger Meistersingerhalle: Das Ergebnis ist größer als die Summe der Einzelteile.

Trotzdem oder gerade deshalb ist jede Nummer, die erklingt, ein Volltreffer. Kunststück, sind ja auch nur Spitzen-Leute an Bord, die alle ihre Solokarrieren am Laufen haben. Ob der schnurrbärtige Schlagzeuger Arthur Vint, der zauselige Casey Abrams von "American Idol" oder die bezaubernde Brielle von Hugel – in dieser atemlosen Show ist jeder ist ein Star.

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© Horst Linke

In der überdrehten Revue scheint jedoch nicht nur alles mühelos zu sein, offenbar kann auch jeder alles. Da schnappt sich eine der Sängerinnen plötzlich die Posaune und legt ein flottes Solo auf die Bretter, während sich die Kolleginnen als Akrobatinnen und Kunstpfeiferinnen empfehlen. Es wird getanzt und gesteppt, gerapt, gescattet und gebeatboxt. Im nächsten Moment fliegen Blumen ins Auditorium, die Musiker schlagen Purzelbäume, starten einen Rundlauf ums Piano oder sinken kollektiv wie tot zu Boden.

Trotz zelebriertem Retro-Ansatz ist Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox musikalisch auf der Höhe der Zeit. Gecovert, performt und verragtimet werden zeitgenössische Popsongs, mit ElectroSwing-Glamour und Spuren von Burlesque-Charme. Der Reigen vorzüglicher Sänger, Tänzer und Musikanten hat Glenn Millers "In The Mood" ebenso drauf wie Radioheads "Creep" und "Radioactive" von Imagine Dragons. NSYNC und Britney Spears, Usher, Hanson, Justin Timberlake und Taylor Swift – müssen alle mit. In Lichtgeschwindigkeit werden musikalische Genres gewechselt und Stilrichtungen durcheinandergewürfelt. Die Verfremdung ist mitunter so krass, dass man das Original oft nur noch mit Mühe erkennt.

Heiß:

© Horst Linke

PMJ ist eine sehr amerikanische Show, Entertainment ist Teil ihrer DNA. Das von vorne bis hinten durchgetaktete Spektakel hat etwas Marktschreierisches und könnte gut und gerne auch ein Musical sein, aber egal. Es zählt das Ergebnis, da halten wir es mit Oscar Wilde: "Das einzig schreckliche Ding auf Erden ist Langeweile. Das ist die Sünde, für die es keine Vergebung gibt."

Von Langeweile ist an diesem Abend keine Rede. PMJ feiern Stil und Dekadenz, umarmen die Nacht und baden im Applaus. Ein beschwingter Tanz auf dem Vulkan, an dem der große Gatsby seine hellste Freude gehabt hätte. In diesem Sinne: "Good job, old sport!"

 

Aktuelle CD: Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox "Fake Blues"

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