Hochfest der Rebellen

1.11.2017, 18:14 Uhr

Als Felix Mendelssohn Bartholdy sein zweites großes Oratorium, den Elias, für das Birmingham Music Festival im Jahr 1846 vorbereitete, dachte er sicher nicht an Martin Luther und die Anniversarien der Reformationsgeschichte. Sein Werk schlug ein wie eine Rakete und wurde von dem englischen Publikum, das mit der Oratorienkultur seit Händels Zeiten bestens vertraut war, bei seiner Uraufführung frenetisch gefeiert: Vier Chöre und vier Arien mussten als Encore wiederholt werden, wie Mendelssohn nicht ohne Stolz an seinen Bruder berichtete.

Bestens besetzte Solisten

Ganz so enthusiastisch ging es am Reformationstag beim Gedenkkonzert des Hans-Sachs-Chores in der gut besuchten Meistersingerhalle nicht zu. Daran hatte sicherlich die im Vergleich zur Uraufführung deutlich geringere Anzahl an Musikern und Chorsängern die wenigste Schuld. 271 Chorsänger und 125 Orchestermusiker möchte man nach heutigem Klangverständnis nicht wirklich mehr hören.

Zu den wichtigsten Säulen einer gelungenen Aufführung gehört neben einem gut disponierten Chor, der an diesem Abend unter der Leitung von Guido Johannes Rumstadt keine Fragen aufwarf, auch eine Auswahl vokal hochrangig besetzter Solisten.

Mit Markus Brück von der Deutschen Oper Berlin war ein Elias gefunden, der beeindruckte. Seine Rezitative transportierte der Bass glasklar ins Publikum, während er in seinen Arien mit stimmlicher Schönheit und Gestaltungskraft überzeugen konnte.

Womit wir dann doch bei Martin Luther angekommen wären. Denn der einsame Kampf des Propheten Elias gegen den alten Baal-Kult und seiner Vielgötterei, zeigte das nicht Parallelen zu jenem Rebellentum, mit dem auch der Wittenberger Theologe gegen die religiösen Missstände seiner Zeit aufbegehrte?

Kongenial gelingt Brück der provokante Showdown mit den Anhängern der alten Lehre um den Gottesbeweis am Berg Karmel. Ganz im Wissen um die Turba-Chöre eines Johann Sebastian Bachs entspinnt Mendelssohn den Wettstreit: Einer gegen alle.

Passion und Seelenlandschaft

Auch Elias war – wie später Martin Luther – ein Verzweifelter, ein an sich Zweifelnder, aber auch ein leidenschaftlicher Fanatiker, der kein Blatt vor den Mund nahm. Die Arie "Es ist genug" spiegelte somit nicht nur die Verwandtschaft mit Bachs Passionsmusik, sondern könnte auch als Interpretation von Luthers Seelenlandschaft dienen.

Nicht Weniges aus diesem Oratorium hat sich in der Chorliteratur verselbstständigt. Deshalb war es ein Erlebnis, Mendelssohns Opus Magnum zu folgen, wie es ursprünglich angelegt war: Überschwänglich, dramatisch, kontrastiv, berührend, emphatisch – und vor allem facettenreich. Die weiteren Gesangssolisten (Bernadette Müller, Ida Aldrian, Nayun Kim und Bernhard Schneider) dem Hans-Sachs-Chor und den Nürnberger Symphoniker gelang zwischen Berg Horeb und Elias’ Himmelfahrt ein Hochfest der Musik.

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