Hommage an einen großen Künstler

27.4.2016, 20:08 Uhr
Hommage an einen großen Künstler

© Foto: Horst Link

2012, nach fast 60 Schaffensjahren, hat Werner Knaupp noch einmal Neuland betreten, entdeckte die Blumen im heimischen Garten in Ernhofen bei Altdorf als Motiv. Der Künstler, der zuvor kiloweise schwarze Farbe auf Leinwände gekippt hatte und aus diesem Schwarz stürmisch bewegte Meeresoberflächen schuf, wechselte die großen Pinsel mit der kleinen Digitalkamera und fotografierte: Nein, keine dekorativen Blumenbilder. Knaupps Blumen, in extremer Nahaufnahme, fleischig, fast animalisch anmutend, sind ebenso Zeugnisse für das Werden und Vergehen des Lebens und für die Urkräfte der Natur wie seine schwarzen Meeresfluten, seine Vulkanbilder oder sein existenzieller „Kreuzweg“-Zyklus.

„Tabula rasa“ heißt die Knaupp-Hommage, die das Neue Museum in zwei Sammlungsräumen zeigt. Denn „tabula rasa“ macht der Künstler gerade buchstäblich in seinen Blumenbildern. Er durchzieht sie mit weißen Schnitten, reißt sie großflächig auf, übermalt sie fast ganz mit schwarzer Farbe. Es ist eine Bilderauslöschung, mit der Knaupp symbolisch vor Augen führt, was passiert, wenn der Mensch mit seinem Drang zur Zerstörung in die Natur eingreift.

In diesem kritischen Blick auf das menschliche Tun sieht Knaupp auch eine Verbindung zur aktuellen Museumsausstellung „WEtransFORM“, die sich ein paar Räume weiter mit den Grenzen des Wachstums auseinandersetzt. „Es geht ums Überleben, das begreift nur keiner“, betont er und lobt die Schau und die dazugehörige Tonnenskulptur auf dem Klarissenplatz nachdrücklich als Kunst, der es um „Inhaltlichkeit“ geht.

Inhaltlichkeit ist auch für ihn das Wichtigste. Mit Abbilden und Illustrieren hat er sich nie aufgehalten. Im zweiten Knaupp-Raum ist der „Kreuzweg“-Zyklus ausgebreitet, 14 große Kohlezeichnungen und Gouachen, die auf erschütterndste Weise die menschliche Hinfälligkeit zeigen. Knaupp verarbeitete in diesen Bildern seine Erlebnisse als Hilfspfleger in der Psychiatrie Bayreuth Ende der 70er Jahre. Keine der tiefschwarzen, ausgezehrten, verrenkten Figuren ist als Individuum zu erkennen – „aber es sind erlebte Szenen“, sagt Knaupp, den die Schreckensbilder bis heute nicht loslassen.

Der „Kreuzweg“, der die Passionsgeschichte Christi in eine säkulare Leidensgeschichte überführt, gehört zu den Hauptwerken des Künstlers, der früh große Anerkennung fand, 1977 an der documenta teilnahm und von 1986 bis 2001 an der Nürnberger Kunstakademie lehrte. Längst gilt er als einer der wichtigsten deutschen Künstler der Nachkriegsgeneration, seine Werke hängen in Museen weltweit. Doch die Sichtbarkeit vor Ort ist ihm heute wichtiger. „Ich lege großen Wert darauf, dort präsent zu sein, wo ich lebe“, sagt er und freut sich, dass seine Werke zum 80. gleich in zwei Nürnberger Häusern zu sehen sind.

Die Kunstvilla hat für Knaupp den größten Raum in der Dauerausstellung freigemacht, dort, wo sonst die Reisebilder hängen. Auch den Jubilar erlebt man hier mit einer sehr kleinen, aber markanten Auswahl als Reisenden, den es meist in menschenferne Gegenden, zu Vulkanen, in die Wüste, zu den Westmännerinseln vor Island zog. Dort erlebte er das Meer als „brüllendes Gebirge“ und als „Friedhof“. In einem der mächtigen Westmännerinsel-Bilder ragt nurmehr der Feuerkegel eines Vulkans tiefschwarz aus dem Meer heraus.

Drei Kreidezeichnungen, die den Blick von oben auf überraschend farbige Vulkanschlote zeigen, erinnern an die Zeit, als Knaupp ausschließlich mit Kugelschreiber und Pastellkreide arbeitete. Später wurde Schwarz seine dominierende Farbe, die für ihn bis heute eine „abstrakte Kostbarkeit“ ist. Manche sahen darin eine Hinwendung zu Tod und Trauer, was Knaupp vehement verneint. Aber dass seinen Bildern, auch seinen Blumenfotos, nie irgendeine Lieblichkeit innewohnt, das ist unbestreitbar und für diesen Künstler ganz unausweichlich.

Nicht ausgeschlossen ist, dass er in seiner Kunst noch einmal einen neuen Weg einschlägt: „Ich gehe schon schwanger damit, aber ich weiß noch nicht, ob es ein Bub oder ein Mädchen wird“, sagt er und lacht und wirkt so voller Tatendrang wie ein Youngster.

Die Ausstellung im Neuen Museum läuft bis 17. Juli läuft, in der Kunstvilla bis 2. Oktober.

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