Im Reich der Operette

8.1.2016, 08:53 Uhr

Interessanterweise war es das hippe Berlin, das die frechen Texte und eingängigen Melodien vor Jahren wieder herausgekramt hat. Mit dem schrägen „Weißen Rössl“ und den Geschwistern Pfister in der „Bar jeder Vernunft“ fing die Renaissance an. Mittlerweile hat der Australier Barrie Kosky die Komische Oper zu einem Kultort für schräge Operettendinge gemacht: Wenn sich Pfiff und Nostalgie paaren, sind das beste Voraussetzungen für das Genre.
In Nürnberg war es eine schöne Idee, dass die beiden Gesangssolisten die Moderation selbst in die Hand nahmen und Dirigent Alexander Shelley eine ungewohnt stille Rolle ausfüllte. Sopranistin Stefanie Braun und Tenor Wolfgang Schwaninger wissen um das gewisse Etwas in der Operette und inszenierten ihre Lieder und Duette sehr apart. Braun verfügt über die größeren vokalen Möglichkeiten, während ihr Partner doch schnell das stimmliche Limit erreicht. Und trotzdem wagte er sich an Gerhard Winklers „Chianti“-Schlager und später in den Zugaben sogar an den großen Lehár-Klassiker „Dein ist mein ganzes Herz“.
Auf ungewohntem Terrain auch der von Benedikt Haag geführte Amadeus-Projektchor aus Neuendettelsau, der sich gerade im „Vogelhändler“-Entree noch etwas ungeübt in seine Rolle hineinmogelte. Später entpuppte sich das Sängerkollektiv aber als sichere Bank.

Geheimnis des Walzertakts

Obwohl Alexander Shelley kaum Gelegenheit haben dürfte, das Repertoire verstärkt zu dirigieren, hatte er sich doch äußerst sensibel in die stilistische Welt der Wiener und Berliner Operette hineingefühlt. Er weiß um das Walzer-Geheimnis, das nicht im sturen „Eins, zwei, drei“, sondern im „Eins., zwei . . . und vielleicht . . . drei“ liegt. Das Orchester agierte samt Harfe, Celesta und Keyboard in geschmeidiger Wendigkeit und sorgte für eine prächtige Kulisse.
Als in Robert Stolz’ Ouvertüre zur „Frühjahrsparade“ das alte Heurigen-Chanson „Jung sama, fesch sama“ aufblitzte, wehte fast ein bisschen Prater-Duft durch den Saal. Tenor Schwaninger zitierte die österreichische Ikone Marcel Prawy: „Pyramiden baut heute auch keiner mehr, trotzdem lassen wir sie stehen. Gleiches gilt für die Operette.“
Gerade weil sich das örtliche Opernhaus nicht mehr kümmert, sollten die Symphoniker ruhig häufiger solche Programme anbieten. Nicht nur zu Neujahr, auch beim „Open Air“ oder in der Faschingszeit würden „Glühwürmchen“-Idyll und der „Weiber“-Marsch ihre Wirkung nicht verfehlen.

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