"In den USA platzte endlich der Knoten"

23.4.2018, 18:45 Uhr

© Foto: Dawna Thompson

Lisbeth Jarosch gehört zu den chaotischen Autoren. Das sagt sie selbst über sich. Gerade einmal die Idee für den zentralen Konflikt ihrer Hauptfigur hatte sie, als sie mit dem Schreiben ihres Romans anfing. Nicht einmal der Name jenes Charakters stand fest. Doch Jarosch schrieb einfach. Und es folgten eineinhalb Jahre im Leben der gebürtigen Nürnbergerin, in denen sich viel veränderte.

Als sie sich mit den ersten Seiten des Romans beschäftigte, arbeitete sie noch in Vollzeit bei einer Baufirma. Bald darauf zog sie mit ihrem Mann nach Cincinnati in die USA. Dort "platzte der Knoten endlich", wie sie sagt. Freiraum für das Schreiben tat sich auf, sie konnte die Geschichte an ihr Ende bringen. Innerhalb weniger Monate entstand: "Last Haven – Tödliche Geheimnisse".

Arbeit als einziger Wertmaßstab

In dem dystopischen Roman erzählt Jarosch von der 18-jährigen Aida, die im Nordamerika des Jahres 2335 lebt. Arbeit und Produktivität bestimmen den Wert eines Menschen. Aida hinterfragt diese Konstruktion einer gesellschaftlichen Ordnung nicht – bis sie sich bei einem Unfall verletzt. Sie fällt durch das Raster, muss eine neue Orientierung für sich finden. Denn so hat sie keinen Wert mehr für die Gesellschaft. Sie erkennt die Schattenseiten eines kalten Systems.

So weit, so typisch für Young Adult Fiction, jener Abteilung der Buchhandlungen, die vor 20 Jahren noch den schlichten Namen Jugendliteratur innehatte. Doch dieser Roman unterscheidet sich vor allem durch den klaren und ausdrucksstarken Stil von Lisbeth Jarosch. Mit wenigen Beschreibungen schildert sie eindringlich eine kalte Welt. Da lässt sich sogar die obligatorische Romanze in dem Roman überstehen.

Der Piper Verlag stellte Jaroschs Buch trotzdem neben "Die Tribute von Panem"-Trilogie, eine der erfolgreichsten Jugendbuch-Reihen der letzten Jahre. "In erster Linie kommt mir dieser Vergleich zugute, denn er sorgt von vornherein dafür, dass ‚Last Haven‘ von der Zielgruppe wahrgenommen wird", sagt Jarosch. "Er schafft Klarheit darüber, womit der Leser rechnen kann." Das schützt vor Enttäuschungen. Bei Lesern wie Autoren.

"Trotzdem hatte ich die Befürchtung, dass es in den Rezensionen haufenweise Kritik dafür hageln würde, dass ‚Last Haven‘ sich nicht mit ‚Die Tribute von Panem‘ messen lassen kann. Das Feedback war jedoch besser, als ich es erwartet habe." Denn ihr Buch hält dem Vergleich stand.

Jarosch versucht, jeden Tag zu schreiben, um nicht aus der Geschichte zu kommen. Und sei es nur eine Seite. "Damit überbrücke ich aber nur das Warten auf das nächste kreative Hoch. Das kommt früher oder später immer, meistens ganz plötzlich und mit voller Wucht", so die Autorin. Für ihr aktuelles Buch erstellte sie vorab keinen Plot, sondern überraschte sich selbst. Was dafür sorgte, dass in "Last Haven" die Figuren die Geschichte bestimmen und nicht umgekehrt. Dem Roman tut das sehr gut.

Fortsetzung im Herbst

Der Piper Verlag hat bereits nach einer Fortsetzung zu "Last Haven" gefragt. Der zweite Teil erscheint im Herbst. "Darin geht es um die Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, wenn man eine so eingefahrene Gesellschaft verändern möchte. Die eigentliche Arbeit fängt für Aida und ihre Freunde dann erst an", verrät Jarosch.

Und nicht nur auf ihre Hauptfigur kommen neue Aufgaben zu. Im Dezember endet voraussichtlich der Aufenthalt in den Staaten, dann ziehen die 29-jährige Nürnbergerin, ihr Mann und ihre Tochter zurück nach Franken. Jarosch freut sich auf die Rückkehr: "Mein Mann und ich sind beide in Franken geboren, aufgewachsen und haben dort vor unserem Umzug in die USA immer gelebt. Für mich ist das Heimat, ich freue mich schon darauf, wenn ich auf die Frage, wie es mir geht, nicht mehr überschwänglich ‚Awesome!‘ antworten muss, sondern einfach nur ‚Bassd scho‘."

Lisbeth Jarosch: Last Haven – Tödliche Geheimnisse. Roman. Piper Verlag, München. 360 Seiten, 13,99 Euro.

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