Ironischer Spaß mit Mozart

28.6.2015, 19:38 Uhr
Ironischer Spaß mit Mozart

© Foto: Ludwig Olah

Mal wieder hängt der Segen im Hause Almaviva schief. Lange ist’s her, dass der Hausherr trickreich mit Hilfe seines jetzigen Kammerdieners Rosina eroberte. Die sitzt jetzt gelangweilt bis verzweifelt da, weil der gräfliche Gatte noch nicht an allen Rosenknospen gerochen hat und weiterhin seinen Jagdtrieb auslebt. Da der Hofstaat eng aufeinander hockt, wird natürlich getrascht, was das Zeug hält.

Mariame Clément macht in ihrer gefälligen Regie deutlich, dass es kurz vor der Französischen Revolution eben keine Kleinigkeit für einen Untergebenen war, auf das Triebleben seines Brotherrn Einfluss nehmen zu wollen. Und so entfaltet sich eine Gesellschaftskomödie, die Kritik mehr in ironischer und humorvoller Dosis verabreicht.

Ein bisschen zu sehr mit dem Holzhammer vermittelt die Regie, dass hier vor dem Zuschauer ein „toller Tag“ abläuft.  In Dortmund, woher man die Inszenierung übernahm, gab der in Franken noch gut bekannte Jac van Steen den Auftakt in das turbulente Geschehen. In Nürnberg ist es die letzte große Produktion von Peter Tilling, bevor er das Haus verlässt. Nachhaltigere künstlerische Duftmarken konnte der Vize-GMD nur sehr vereinzelt setzen. Nun versucht er im „Figaro“, einiges anders zu machen als es durch die gängige Bühnenpraxis beglaubigt ist.

Tolles Mozart-Ensemble

Die Ouvertüre schleicht sich fast unmerklich ein. Tilling wählte ein so gemäßigtes Zeitmaß, dass die vibrierende, nervöse Grundspannung, die die gesamte Oper kennzeichnet, verloren zu gehen droht. Sein Bemühen um historisch-informiertes Musizieren betraf vor allem das Instrumentarium (Naturhörner, einfach besetztes Holz) und die Artikulation.

 Der „Figaro“ ist trotz seiner vielen Arien-Perlen ein Ensemblestück, in dem es übrigens sehr auf die hier gut ausbalancierte Stimm-Mischung ankommt, und lebt von den bewegten Tableaux. Und da hat Nürnberg ein Mozart-Ensemble beisammen, nach dem sich andere die Finger lecken würden.

Triebtheater mit Hrachuhí Bassénz und Jochen Kupfer als Grafenpaar haben sich noch so viel jugendliche Energie bewahrt, dass das ganze Triebtheater nachvollziehbar bleibt. Beide singen wunderbar balsamisch (etwa in „Porgi amor“ und „Contessa, perdono“), seelen- und temperamentvoll. Nicht minder beim nächsten Paar: Michaela Maria Mayer ist eine großartige, lebenskluge und gewitzte Susanna, die Charme mit sozialer Intelligenz zu verbinden weiß. Ihr Verlobter ist da durchaus von aufbrausenderer Natur: Nicolai Karnolsky zeichnet einen Figaro, der unter der rauen, virilen Haut doch einen sensitiven Gefühlsmenschen offenbart. „Se vuol ballare“ und „Non più“ gerieten zu beherzten Charakternummern.

Cherubino darf hier auch mal akustisch zeigen, dass er mitten in der Mutation steckt. Solgerd Isalv aus dem Opernstudio gab dem sich nach Weiberduft Verzehrenden in Spiel und Gesang ein starkes Profil. Leila Pfister ist als komische Alte (Marcellina) ohnehin eine Bank, während Hans Kittelmann als Musiklehrer Basilio fünfzig Lebensjahre draufgepackt bekam.

Komplettiert wird die gräfliche Wohngemeinschaft durch Sebastian Köchig (Don Curzio), Taehyun Jun als später Vater Bartolo, Sébastien Parotte als hochgeschossener Gärtner und Laura Demjan als dessen reichlich naive Tochter Barbarina. Noch bevor im 3. Akt „Reise nach Jerusalem“ gespielt wird, muss der agile Chor bereits im 1. Akt Bühnenarbeiten verrichten: Auf dem Grundriss werden die Zimmer gegen den Uhrzeigersinn verschoben. Das zunächst mit Szenenbeifall sparende Publikum zeigte sich am Ende restlos begeistert.

Nach fast vier Stunden hatte sich der „Figaro“-Zauber voll entfaltet: Dank an den prächtigen da Ponte und die göttlichen Eingebungen Mozarts!

Weitere Aufführungen: 30. Juni, 2., 6., 12., 15., 18. und 21. Juli; Karten-Hotline 0 18 05 / 23 16 00.

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