Kampf gegen Mauer des Schweigens: Der Staat gegen Fritz Bauer

1.10.2015, 12:05 Uhr
Kampf gegen Mauer des Schweigens: Der Staat gegen Fritz Bauer

© Foto: Alamode

Ohne Fritz Bauer hätte es die Auschwitz-Prozesse der 60er Jahren womöglich nie gegeben. In "Das Labyrinth des Schweigens" erzählte Giulio Ricciarelli unlängst die Vorgeschichte der Prozesse, skizzierte Bauer dabei aber eher als Strippenzieher im Hintergrund. Lars Kraume stellt ihn
nun ins Zentrum seines Films und konzentriert sich auf die Rolle des Juristen bei der Ergreifung Adolf Eichmanns.

Der Film beginnt im Jahr 1957. Bauer, als SPD-Mitglied und Jude einst selbst von den Nazis verfolgt, war 1949 aus dem Exil in Dänemark nach Deutschland zurückgekehrt und kämpfte seitdem für die strafrechtliche Verfolgung der NS-Verbrecher. Als er einen Brief aus Argentinien erhält mit dem Hinweis, dass Eichmann in Buenos Aires sei, setzt Bauer alles daran, den Hauptorganisator des Holocaust aufzuspüren und vor ein deutsches Gericht zu stellen.

Eigene Behörde ist Feindesland

Doch BND und BKA fühlen sich nicht zuständig für im Ausland befindliche politische Straftäter, auch Bauers Justizapparat mauert. "Meine eigene Behörde ist Feindesland", poltert der Jurist und beschließt, den israelischen Geheimdienst Mossad einzuschalten, obwohl er damit Landesverrat begeht.

Lars Kraume, der 2010 in "Die kommenden Tage" eine beklemmend aktuelle Zukunftsvision von der Festung Europa entwarf, zeichnet in "Staat gegen Fritz Bauer" ein präzises Bild der restaurativen Atmosphäre in den 50er Jahren. Die Menschen wollen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen, und die Altnazis sitzen längst wieder in höchsten Positionen. Sie müssen um ihre Enttarnung fürchten, wenn Eichmann vor Gericht aussagt.

Genau das will Bauer erreichen. Er wird zum Einzelkämpfer, den Kraume als ebenso mutigen wie verletzlichen Menschen zeigt und den Burghart Klaußner großartig spielt: Ein einsamer Mann, der sich nie verziehen hat, dass er sich im KZ der NSDAP unterwarf, aber auch ein Sturkopf – und einer, der den Segnungen des neuen Wohlstands zugeneigt ist, dicke Zigarren raucht, übergewichtig ist, aber voller Energie und von unbeirrbarem Gerechtigkeitssinn angetrieben.

Rufmord in repressiver Atmosphäre

Bauer erhält Morddrohungen, der Oberstaatsanwalt Kreidler (Sebastian Blomberg) und ein BKA-Mitarbeiter (Jörg Schüttauf) wollen ihn an seinen Nachforschungen hindern, schrecken auch vor Rufmord nicht zurück und versuchen, ihm aus seiner Homosexualität einen Strick zu drehen.

Der von den Nazis verschärfte Paragraf 175 gilt weiterhin und macht Bauer für seine Feinde angreifbar. Seine einzigen Vertrauten sind Hessens Ministerpräsident Georg Zinn und der junge Staatsanwalt Karl Angermann (Roland Zehrfeld), der, obwohl verheiratet, selbst schwul ist. Die Figur ist erfunden, doch bezieht der Film zusätzliche Spannung aus diesem Nebenstrang, da er die repressive Atmosphäre im Adenauer-Staat betont.

1960 greift der Mossad Eichmann in Argentinien auf, Bauers trickreiche Manöver haben wesentlich dazu beigetragen. Sein Antrag an die Bundesregierung, sich um die Auslieferung nach Deutschland zu bemühen, wird abgelehnt. Eichmann wird in Israel zum Tode verurteilt, sein großes Ziel, ihm in Frankfurt den Prozess zu machen, hat Bauer nicht erreicht, doch wenige Jahre später wird er die Täter von Auschwitz vor Gericht bringen.

Kraume und Klaußner haben mit diesem packenden packenden Politthriller im Kammerspielformat einem großen deutschen Helden ein würdiges Denkmal gesetzt. Beide kommen am 7. Oktober im Rahmen des Filmfestivals der Menschenrechte zur 20-Uhr-Vorstellung ins Cinecittà. (D/105 Min.; Casablanca, Cinecittà, Metropolis, Nbg.; Babylon, Fürth, Lamm-Lichtspiele, Erl.)

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