Krimi, Comedy, Fußball: Warum langweilt das Fernsehen so?

6.7.2017, 15:01 Uhr
Ist das aktuelle Fernsehprogramm zum Ausschalten? In seinem Kommentar beschreibt Kulturredakteur Jens Voskamp, dass Sport, Krimis und Comedy nicht genug sind.

© dpa Ist das aktuelle Fernsehprogramm zum Ausschalten? In seinem Kommentar beschreibt Kulturredakteur Jens Voskamp, dass Sport, Krimis und Comedy nicht genug sind.

Es war ein Schlag ins Kontor. Anfang Juni musste ZDF-Intendant Thomas Bellut kleinlaut gestehen, dass sein Sender aus dem Milliardenpoker rund um die Übertragung der Champions League aussteigen musste. Künftig werden die Ausscheidungen in der europäischen Spitzenklasse nur noch im Pay-TV zu sehen sein.

Aber im Grunde gehören längst auch die öffentlich-rechtlichen Sender zu den kommerziellen, denn sie finanzieren sich hauptsächlich durch eine monatliche Zwangsabgabe, vornehmer Rundfunkgebühr genannt, von monatlich 17,50 Euro. Der verweigern sich immer mehr Zahler, weil sie die Vielfalt des Programms nicht mehr gewährleistet sehen. Die AfD ist auf diesen Zug schon aufgesprungen und macht aus dem Zorn über die Einfältigkeit des Programmangebots sogar ein populistisches Wahlkampfthema. Sie will sogar die Länderanstalten ganz abschaffen.

Krimi nach dem Krimi

Ein Beispiel für die besondere Vielfalt gefällig? Das ZDF sendet heute um 20.15 Uhr einen Krimi aus der Serie "Die Chefin", um daraufhin ab 21.15 die Soko Leipzig ermitteln zu lassen. Um 22 Uhr fahren ARD und ZDF zeitgleich ihre Nachrichtenschiene und dann geht es im Ersten mit dem "Polizeiruf 110" weiter, um anschließend bis 1.10 Uhr "Mankells Wallander" einen mysteriösen Klippensturz aufklären zu lassen.

Das BR-Fernsehen hält noch mit einer Folge "Mord mit Aussicht" (ab 22.45 Uhr) dagegen — wohl um den "Bullen von Tölz" auszustechen, der freitags auf Sat1-Gold gleich zweimal wiederholt wird. Derzeit gibt es wohl keine mittelgroße deutsche Stadt mehr, in der ohne Fernsehteam ermittelt wird.

Wintersport ganztägig, 3. Liga für alle

Sport-Live-Übertragungen sind das andere. Ganze Sonntage widmen ARD und ZDF von November bis Februar ab morgens um 10 Uhr bis zum Abend Wechselschaltungen in die verschiedenen Wintersportgebiete: Biathlon, Langlauf, Abfahrtsrennen, Bob-Wettkämpfe und Ski-Springen bis zum Abwinken. In der abgelaufenen Saison verstiegen sich die Länderprogramme sogar dazu, 3. Liga-Fußballspiele in voller Länge zu übertragen.

Selbstredend ist gegen gut gemachte Krimi-Kost und spannende Sportübertragungen nichts einzuwenden. Aber wenn eine ganze Woche die Primetime durch U 21-Europameisterschaft und den Confed-Cup belegt ist, kommt man schon ins Grübeln, wo der Anspruch der Sender geblieben ist, ein Programm für alle Generationen, Geschlechter und Regionen zu gestalten und wohin sich der Bildungs- und Informationsauftrag verflüchtigt haben.

Spricht man die Verantwortlichen auf das reduzierte Sendungsspektrum an, heißt es unisono: "Sie können doch auch Arte oder 3sat schauen." Das müssen die, die sich für Kunst und Kultur interessieren, ohnehin tun, denn Hintergründe über Theaterinszenierungen und Ausstellungen oder Künstlerporträts  tauchen seit Jahren nicht mehr im ARD- und ZDF-Programmportfolio auf.

Kultur bedeutet überwiegend Comedy

Bei ihnen besteht die Sektion Kultur nur aus Comedy. Und auch die wird inflationär behandelt. Man fragt sich, weshalb am Donnerstag in der ARD nach "Ladies Night" samt Lizzy Aumeier unbedingt "Alfons und Gäste" folgen mussten. Damit entwertet man ein ganzes Genre. Nächsten Donnerstag dieselbe Chose: Erst "Nuhr ab 18 – Junge Comedy", anschließend "Spätschicht — Die Comedy-Bühne".

Gut, dass im Anschluss an das "Nachtmagazin" wieder ein "Bozen"-Krimi die Lachfalten nach dem geballten Comedy-Pressing glattbügelt. Allerdings stellt sich da die gewichtige Frage, ob "Der Adler — Die Spur des Verbrechens" zur selben Zeit im ZDF nicht doch höheren Gruseleffekt verspricht. . .

Wissen gibt's höchstens in Quizshows

Eine Stärke der Öffentlich-Rechtlichen waren immer ihre investigativen Politik-, Wirtschafts- oder Gesundheitsmagazine. Die finden sich oft nur noch in Tagesrandlagen kurz vor 0 Uhr — sofern die Late-Night-Talkrunden da schon ein Ende gefunden haben. Wenn die Magazine nicht gleich ganz in die Dritten abgeschoben wurden. Auslandsreportagen muss man mit Lupe suchen. Wissensmagazine haben sich in Quizshows aufgelöst. Unterhaltung, Verzeihung Entertainment, scheint die einzige Maßgabe zu sein, die für die Programmgestaltung nach 20.15 und an Wochenenden zu gelten hat.

Doch der Widerstand wächst. Von 44,7 Millionen Gebührenzahlern verweigern mittlerweile 4,9 Millionen die Zahlung. Schon gibt es 100 000 Unterschriften in einer Online-Petition, die mit einer Vrefassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die Fernseh-Gebühr klagen wollen. Mit ihrem einseitigen Programmangebot liefern ARD und ZDF derzeit jedenfalls wenig Gegenargumente.

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