"Lady Bird": Berührender Film übers Erwachsenwerden

19.4.2018, 17:34 Uhr
Beginnt mit diesem netten jungen Mann ein neues Leben? Saoirse Ronan als Christine "Lady Bird" und Lucas Hedges als ihr Mitschüler und erster Freund.

© UPI Beginnt mit diesem netten jungen Mann ein neues Leben? Saoirse Ronan als Christine "Lady Bird" und Lucas Hedges als ihr Mitschüler und erster Freund.

Für Christine, die sich selbst den Namen "Lady Bird" gegeben hat, ist ihre kalifornische Heimatstadt Sacramento so ziemlich der langweiligste Ort der Welt. In ihrem Elternhaus fühlt sie sich eingeengt, der immer gleiche Alltag an der katholischen High School ist ein echter Stimmungskiller. Die 17-Jährige träumt vom aufregenden Leben im pulsierenden New York, auch wenn seit 9/11 gerade erst ein Jahr vergangen ist.

Schon verblüffend, wie es Greta Gerwig ("Frances Ha") gleichsam aus dem Stand gelingt, die Gefühlsgemengelage eines Teenagers auf dem Weg zum Erwachsenwerden einzufangen. Da sieht man Christine (Saoirse Ronan) mit ihrer Mutter (Laurie Metcalf) bei einer Autofahrt, im Radio geht gerade die Hörbuch-Version einer John-Steinbeck-Geschichte zu Ende, die beide zu Tränen rührt.

Doch von jetzt auf gleich mündet die schöne Harmonie in einen veritablen Streit — und Christine lässt sich aus dem fahrenden Auto fallen. Was aber nicht so spektakulär ist wie es klingt. Weil die Sache glimpflich ausgeht und weil bereits diese kleine Protest-Szene mit dem sachten, herzerfrischenden Humor unterlegt ist, der den ganzen Film durchdringt und ihn immer wieder zuverlässig vor der Klischeefalle bewahrt.

Im Grunde mögen sich alle

Gleichwohl nimmt die Filmemacherin ihre Hauptfiguren immer ernst. Sie stellt dem Zuschauer ganz normale Menschen vor, die ein ziemlich durchschnittliches Leben führen. Christine ist nicht besonders fit in Mathe, dafür macht sie im Schul-Musical eine gute Figur. Sie hat eine beste Freundin, mit der sie sich auch mal heftig fetzt, sie probiert sich aus, und ihre ersten Erfahrungen mit Jungs und der Liebe sind ziemlich ernüchternd. Ihre Familie wohnt auf der unglamourösen Seite der Stadt und kommt, nachdem der gutmütige Vater seinen Job verloren hat, gerade mal so über die Runden. Und selbst wenn es oft kracht zwischen Christine und ihrer taffen Mutter, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, ihre Tochter zu erden — im Grunde mögen sich alle.

Es sind also nicht die großen Dramen, sondern kleine alltägliche Tragödien, Freuden, Sehnsüchte und Konflikte, die sich in dieser munteren, aber unaufgeregten und entsprechend unspektakulär gefilmten Geschichte abspielen. Und gerade das macht es einem als Zuschauer leicht, sich auf die Protagonisten einzulassen.

Glaubhafte Mutter-Tochter-Beziehung

Besonders für die rebellische Titelheldin, die sich gern in Verhältnisse träumt, die für sie eine Nummer zu groß sind, entwickelt man schnell Sympathie. Nicht zuletzt, weil Saoirse Ronan ihrer Rolle viel Natürlichkeit und impulsive Energie verleiht. Mit ihr hatte die Regisseurin ein ebenso glückliches Händchen wie mit Laurie Metcalf.

Durch das Zusammenspiel der beiden ist "Lady Bird" nicht nur eine Geschichte vom Erwachsenwerden und der Suche nach dem richtigen Platz im Leben. Es geht auch um eine Mutter-Tochter-Beziehung, die in all ihren Facetten glaubhaft ist.

Es passt zu diesem bezaubernden kleinen Film, dass die erst 34-jährige Gerwig nicht auf die überraschende Schluss-Pointe setzt, sondern auf ein kluges, stimmiges Ende, das versöhnlich ist und zugleich die Selbstbestimmung feiert. (USA/94 Min.)

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