Leben in einem Klima der Angst

4.9.2011, 15:00 Uhr
Leben in einem Klima der Angst

© Kai Kappes

„Vorsicht, bildende Kunst!“ steht auf dem Plakat zur mittlerweile 7. Sommerausstellung im Kunstraum Weißenohe. Gedruckt ist die Schrift auf den wie Fahndungsfotos aussehenden Bildern der beteiligten Künstler auf rotem Hintergrund. Die Marschrichtung ist wie immer in Weißenohe klar: Hier beziehen zeitgenössische Künstler Position zu einem gesellschaftspolitischen Thema.

Unterstützt von der Familie Winkler, den Eigentümern der Klosterbrauerei Weißenohe. Sie stellt seit Ende der 90er Jahre die alte, nicht mehr genutzte Mälzerei kostenlos in den Dienst der Kultur. Ein reizvoller Raum, der von dem Kontrast zwischen moderner Kunst und altehrwürdiger Brautechnik lebt. Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September lag die Wahl des Themas nahe. „Wir wollen zeigen, was mit Menschen in einem Klima der Angst passiert“, sagt der Fürther Künstler Lutz Krutein. Bei seiner Installation schweben 34 Glasscheiben mit Spiegelfolie von der Decke herab. Sie zeigen die Konterfeis der „Protagonisten“ der Terroranschläge in New York – dazu zählt er auch Politiker wie Gerhard Schröder oder Dick Cheney. Aus 9/11 sei ein Dogma geworden. Niemand dürfe an der offiziellen Version rütteln.

Der Faden ist gerissen

Am seidenen Faden hängen gleich drei der gezeigten Arbeiten, wobei sich die Künstler nicht abgesprochen haben. Doch das Gefühl, dass es spitz auf Knopf steht in der Welt, scheint ihnen gemein zu sein. Eva Mandok zum Beispiel hat aus alten Glühbirnen kleine Raketen gemacht — bei einer ist das dünne Seil bereits gerissen, sie liegt zerbrochen am Boden. 



Die Fotografin Susa Schneider hängt dagegen zahlreiche Porträts von Menschen mit schwarzen Balken vor den Augen auf und legt eine kleine Holz-Armbrust bereit, mit der die Besucher drauflos zielen können. „Selbst in der Masse gibt es keinen Schutz“, sagt die Künstlerin und wendet sich gleichzeitig gegen die allgegenwärtige Panikmache, wegen der sich manch einer kaum noch auf die Straße traut. 



Sehr unterschiedliche Arbeiten beleuchten das Thema „Terrorwarnung“ aus verschiedensten Blickwinkeln und machen deutlich, wie präsent der 11. September 2001 immer noch ist, wie sehr der „Krieg gegen den Terror“ die Gesellschaft beeinflusst hat. Wer Täter und wer Opfer ist, verschwimmt bisweilen. So wie bei Georg Baiers schnellen Porträt-Zeichnungen, die dem Betrachter aus einem alten Karton entgegenblicken. Es sind Menschen, Monster, Tiere und — Achtung, Verschwörungstheorie — Reptiloiden.

Tilman Oehler aus Weißenohes Nachbarort Oberrüsselbach nimmt mit seiner Kunst gleich einen ganzen Raum in Beschlag. Da gibt es viel zu entdecken, viel zu interpretieren. Zentraler Hingucker ist aber eine überlebensgroße Burkastatue: „Eine starke Frau hat hinter sich immer fünf Männer: Vater, Großvater, Bruder, Onkel, Ehemann.“ Eine Ausstellung, wegen der man gerne einen kleinen Ausflug in die Fränkische Schweiz macht (P.S.: Gutes Bier gibt’s da auch...).

„Terrorwarnung: Auseinandersetzung mit einem Klima der Angst“, Klosterbrauerei Weißenohe, bis 25. September, Fr.–So. 13–19 Uhr, Eröffnung am heutigen Samstag, 19 Uhr.

 

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