Leibniz und die Leichtigkeit des Denkens

30.6.2016, 19:35 Uhr
Leibniz und die Leichtigkeit des Denkens

© F.: Linke

An was denken Sie beim Wort Modelle zuerst? An die Modelleisenbahn im Keller, an Modellbauschiffe oder vielleicht an Architekturmodelle? Die Leibniz-Schau im GNM lotet den Begriff nachgerade modellhaft aus, zeigt mit gutem Grund und großem Überraschungseffekt unter ein und derselben Überschrift so unterschiedliche Exponate wie einen Himmelsglobus aus dem 17. Jahrhundert, den Koffer eines Brillenvertreters aus dem 19. Jahrhundert und die Muttergottes auf einer Glasscheibe aus dem 15. Jahrhundert.

Ausstellungsmacher Frank Matthias Kammel folgt dabei frei und spielerisch der einst von Leibniz ausgerufenen „Gedankenlust“. So hatte der gebürtige Leipziger, der an der Nürnbergischen Universität in Altdorf 1667 promoviert hatte, eine Schrift betitelt, in der er sich für die Gründung von Wissenschaftsakademien einsetzte. Die sollten, so forderte der Vordenker der Aufklärung, nicht nur Bücher für die Gelehrten parat stellen, sondern auch Kunst- und Naturobjekte und eben Modelle. Schließlich kann man an ihnen Abstraktes veranschaulichen, Vergangenes rekonstruieren, Komplexes vereinfachen, Großes verkleinern und Winziges vergrößern.

Für all diese unterschiedlichen Aspekte zeigt die nach Kapiteln wie „Das Modell als Entwurf“, „Das Modell als Vision“ oder „Das Modell als Kunstwerk“ klar gegliederte Ausstellung Beispiele — insgesamt rund 50 Stück aus dem 15. bis 21. Jahrhundert. Das älteste ist eben jene kleine, um 1480 geschaffene Scheibe der damals begehrten Straßburger Glasmalerei, die in leuchtenden Farben die Muttergottes zeigt. „Sie diente vermutlich als Musterscheibe, um die Virtuosität der Straßburger Werkstattgemeinschaft auch außerhalb der Stadt zu demonstrieren“, sagt Kammel.

Chirurgisches Wundnahtmuster

Gleich daneben das wohl kurioseste Stück in der Ausstellung: Auf Tierhaut wurde mit vielen, vielen Stichen ein „chirurgisches Wundnahtmuster“ angelegt für den gelehrigen Medicus des 17. Jahrhunderts. Und ebenfalls aus dem medizinischen Bereich stammen im Kapitel „Das Modell als Vorbild“ ein Gleit-Brems-Kniegelenk aus den 1930er Jahren sowie der Musterkoffer eines Nürnberger Brillenvertreters aus dem frühen 19. Jahrhundert.

In dieser Zeit entstand auch das Tonmodell eines Sparofens, entworfen von einem Weißenburger Öko-Ofenbauern mit Pioniergeist. „Das kleine Teil funktioniert“, sagt Kammel und rühmt die Vorzüge des historischen Multifunktionsofens: Man konnte damit nicht nur heizen, sondern gleichzeitig Speisen warmhalten und zubereiten, Gegenstände trocknen und Wasser erhitzen.

Die Mischung macht’s in dieser Ausstellung: Da wird ein ganzes Bergwerk in einen Schauschrank gepackt, es gibt Skizzen zu barocken Deckengemälden, Modelle für Gewölbe aus dem 17. Jahrhundert oder für Kugelhäuser in den ach so modernen 1950er Jahren. Zu sehen sind Musikinstrumente und Grafiken, Webstühle und Wasserpumpen im Miniaturformat. Und anhand eines Putzladens konnten Mädchen um 1840 schon früh üben, was den Beruf einer Modistin ausmachte.

Früher Netzwerker

Dass sich das GNM mit dieser Ausstellung an die Fersen von Leibniz heftet, kommt nicht von ungefähr: Der Philosoph, Mathematiker, Diplomat und Historiker, der schon zu seiner Zeit ein Netzwerker der Wissenschaften war, ist Namensgeber der Leibniz-Gemeinschaft. Die fördert mit einem Gesamtetat von mehr als 1,7 Milliarden Euro heute 88 Forschungseinrichtungen in Deutschland, darunter acht Museen. Eines davon ist das GNM. Im Herbst wird es dort eine Tagung zu Leibniz geben, dem man natürlich — in Form von Porträts, handschriftlichen Texten und Erstausgaben seiner Bücher — auch in der Ausstellung begegnet.

Die wiederum soll Anregung und Basis für ein Nachfolgeprojekt sein. Und dafür sind die Besucher gefragt: „Wir glauben, dass sich in Privathaushalten viele fantasievolle oder genial einfache Modelle verbergen“, sagt GNM-Sprecherin Sonja Missfeldt. Die möchte das Museum sammeln, begutachten, fotografieren und daraus im Herbst eine weitere Modell-Ausstellung konzipieren. Vorbeibringen kann man die guten Stücke (oder Fotos davon, wenn sie zu sperrig zum Transportieren sind) beim großen Museumsfest am 10. Juli ab 14 Uhr.

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kartäusergasse; bis 5. Februar 2017, Di.-So. 10-18, Mi. bis 21 Uhr; www.gnm.de

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