Leiden in Weiden

21.8.2018, 14:13 Uhr
Leiden in Weiden

© Foto: Andreas Hornoff/PR

Benedikt ist ein Ass. Zumindest auf dem Tennisplatz. Mit seinen Kumpels Vince und Prechtl hat der knapp 16-Jährige das Landesjugendfinale gewonnen und kämpft sich abseits des roten Ascheplatzes durch die Höhen und Tiefen, die Ungerechtigkeiten und Malaisen der Jugend und des Erwachsenwerdens. Und zwar in Weiden, dieser Vorzeigekleinstadt in der Oberpfalz, wo es am berüchtigten "Butterhof" wilde Partys gibt, die Mädels zickig sind wie anderswo auch, die Lehrer mit fiesen pädagogischen Mitteln auf Teufel komm raus MINT-Exzellenz-Schule werden wollen und Charity-Ladys mit Hingabe für Flüchtlinge grillen.

Am ereignisreichen Leben von Benni, der ziemlich viel Scheiße baut, aber im Grunde ein echt guter Kerl ist, lässt Thomas Klupp den Leser teilhaben. Wobei das untertrieben ist: Er schmeißt ihn mitten rein in diese wilde Zeit der Pubertät, über die Benni so direkt und ungefiltert berichtet, als säße man in seinem Kopf und würde zurückgebeamt in die eigene Schulzeit.

Immer wieder wird der Leser direkt angesprochen, er kommt diesem Schlawiner nicht aus, muss ihn mögen und doch den Kopf schütteln über dessen Dummheit der Jugend. Benni schwört seinem lesenden Begleiter immer wieder Besserung und beschwichtigt ihn mit zerknirschten "sorrys". Dazu hat er auch allen Grund. Denn mangelnder Lerneifer zeitigt die üblichen Folgen: Diese in Gestalt von Fünfern und Sechsern in einzelnen Schulaufgaben oder gar ganzen verhunzten Jahreszeugnissen daheim zu präsentieren, verhindert Benni ausgesprochen kreativ und mit einer gehörigen Portion krimineller Energie: Er fälscht Unterschriften der Eltern, Mathe-, Physikaufgaben und vieles mehr, was ihn zusehends in Schwulitäten bringt. . .

Rasant, pointenreich, witzig, mit sehr lebendig gezeichneten Charakteren und überraschenden Wendungen erzählt Thomas Klupp, der selbst in Weiden aufgewachsen ist, aus diesen drei Monaten im Leben seines Protagonisten. Das ausgesprochen unterhaltsame Buch punktet mit bitterbösem Humor und Blicken in die Abgründe der Kleinstadtidylle und von Familien.

Bennis Vater, Oberarzt am Weidener Klinikum, operiert lieber als daheim zu sein. Die Mutter bekämpft ihre Depressionen, indem sie sich Scheinwelten zimmert und ihren Lions-Ladys Kosmopolitismus vorspielt — mit Hilfe und gegen Bezahlung von Benni. Der ist voller liebevollem Verständnis für Mutti und unverzichtbarer Statist in deren Arztgattinnen-Rollenspiel, kassiert für Auftritte als Vorzeige-Tennischampion-Sohn bei den Damennachmittagen und für pünktlich getätigte Anrufe, die die Mutter auf Italienisch oder Englisch flötend annimmt und so mächtig Eindruck macht im Charity-Kreis.

Thomas Klupps neuer Roman "Wie ich fälschte, log und Gutes tat" ist wie ein gutes Tennismatch: Flott, variantenreich und mit scheinbar mühelos gesetzten Treffern.

Thomas Klupp: "Wie ich fälschte, log und Gutes tat", Piper, Berlin, 255 Seiten, 20 Euro. Das Buch erscheint am 4. September. Der Autor liest daraus am Sonntag, 26. August, um 14 Uhr beim Erlanger Poetenfest.

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