Leonard Cohens Werke: Eine Box voll Depressionen

7.10.2011, 07:00 Uhr
Leonard Cohens Werke: Eine Box voll Depressionen

© dpa

Je älter desto besser: Was für Wein gilt, kann für Leonard Cohen nicht falsch sein. Die Lieder des Meisters der Melancholie, die von vergeblicher Liebesmüh oder einer mörderischen Zukunft schreien (und flüstern), haben bis heute nichts von ihrer Größe und Schönheit eingebüßt. Sogar die bösen Zungen, die zuletzt behaupteten die Zeit habe nicht nur an Cohens Stimme sondern, auch an seiner Kreativität genagt, werden nach dem Genuss der "Complete Studio Albums" (Sony Music, ca. 35 €) wohl milde gestimmt dem Folkpoeten sein letztes und einzig diskussionswürdiges Album nachsehen.

Die inneren Werte zählen

Ein gesamtes Lebenswerk, zusammengestaucht auf ein kompaktes Pappformat: Die CD-Box mit allen elf Studioalben von Cohen kommt vielleicht nicht in sonderlich spektakulärer Optik daher, überzeugt aber mit inneren Werten. Mehr als 40 Jahre hat der Kanadier mit der düsteren Samtstimme gebraucht, um diese Box zu füllen – und, so muss sich nicht nur der treuherzige Fan eingestehen, keins dieser Jahre scheint vergebens.

Von den folkigen Anfängen ("Songs of Leonard Cohen"), über den von Cohen selbst lang verabscheuten Bombast-Pop aus dem Hause des abgedrehten Produzenten Phil Spector ("Death of a Ladies' Man"), bis zu seinem vorerst letzten Werk ("Dear Heather"), das mit seiner sperrigen Simplizität und Altersweisheit die Kritiker spaltete: Die Box bietet genug Futter für die Ohren, um nicht nur diesen Herbst und Winter zu durchstehen, sondern ganze Dekaden an langen, kalten Nächten zu trotzen.

Leonard Cohens Werke: Eine Box voll Depressionen

© Sony Music

Die Platten nehmen den Hörer mit auf eine Rundreise durch das Schaffen eines Ausnahmekünstlers, in die tiefsten Niederungen der Melancholie, hin zu den schwärzesten Zukunftsvisionen und den ausweglosesten Beziehungskonstellationen. Doch auch mystische Sehnsuchtsmomente, augenzwinkernde, zarte Liebesbekundungen und heiterer Optimismus finden sich auf den liebevoll in Vinyl-Optik gestalteten Silberlingen.

N ach vielen Stunden des Haderns, Sinnierens und melancholischen Mitfieberns steht man wieder am Anfang und fragt sich, was da noch Neues kommen soll, kommen kann. Nicht viel vielleicht, der Meister ist alt, die Stimme bald nur noch ein Flüstern. Und dann realisiert man unweigerlich, dass auch ein Leonard Cohen nicht ewig leben wird. Doch, welch beruhigender Gedanke, seine Lieder von Liebe und Hass, die werden bleiben. Denn die Blätter fallen auch nächstes Jahr wieder – ganz bestimmt.

Fazit:

Was soll man von einer CD-Sammlung halten, in der schon fast jedes Album für sich genommen 10 Punkte verdienen würde? Auch wenn man in dem trockenen Raunen von Cohens Stimme auf  "Dear Heather" die Tiefe und Virtuosität vermisst, seinem Lebenswerk kann auch das keinen Abbruch mehr tun. Seine Alben, die zu Recht ganze Generationen von Musikern inspirierten und bis heute inspirieren gewähren dem Altmeister eine ewige Narrenfreiheit.

Und selbst wenn er die "Complete Studio Albums" im Hot-Dog-Kostüm auf einer Bunga-Bunga-Party präsentieren würde: Sie hätte noch immer mehr Stil, Würde und großartige Schönheit als fast Alles, was im Fast-Food-Business Musikgeschäft täglich auf den Markt gewürgt wird. Für Neuentdecker Cohens ist diese Sammlung Pflicht, ein großes Werk zum kleinen Preis in dem Juwel neben Juwel glänzt und Mittelklasse ein Fremdwort ist.

Bewertung: 10/10

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