Mammutaufgabe in Bayreuth

11.7.2016, 13:00 Uhr
Mammutaufgabe in Bayreuth

© dpa

Die Pracht des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth lässt sich zurzeit nur erahnen. Der Zuschauerraum mit seinen Logen ist komplett eingerüstet, Belüftungsanlagen und Werkzeugtische sind aufgebaut. Seit vier Jahren wird das Barocktheater, Teil des Unesco-Weltkulturerbes, saniert. Im Frühjahr 2018 soll die Großbaustelle beendet sein – pünktlich zum 270. Geburtstag des 1748 eröffneten Opernhauses.

Elf Restauratoren versetzen die wertvollen Malereien in ihren Ursprungszustand zurück – auf etwa 2500 Quadratmetern Fläche, wie Chef-Restauratorin Melissa Speckhardt schätzt. Mit kleinen Schwämmen reinigen die Fachleute Zentimeter um Zentimeter und bessern einzelne Stellen mit schmalen Pinselstrichen behutsam aus. Es ist ein Mammutprojekt. „Etwa 40 Arbeitsstunden pro Quadratmeter.“

In den 1930er und -70er Jahren wurden die Gemälde übermalt, in den 1960er Jahren mit Holzschutzmittel besprüht. Sie sollten geschützt und die Holzkonstruktion des Zuschauerraumes vor Ungeziefer bewahrt werden. Das wäre jedoch gar nicht notwendig gewesen, denn: „Es gibt nur minimale Spuren eines ehemaligen Insektenbefalls.“ Auch die Übermalungen hält die Expertin für unnötig. „Die originale Malerei auf Leinwand und Holz ist hervorragend erhalten.“ Nun soll sie freigelegt und so konserviert werden.

An einigen Stellen habe die später aufgetragene Farbe den Originalen sogar geschadet: „Die dick aufgetragenen Farb- und Bindemittelschichten verursachen eine hohe Spannung und reißen die untersten Schichten bis auf das Holz mit ab.“ Die Restauratoren tauchen ihre Schwämme in ethylacetathaltiges Lösungsmittel und tupfen die neueren Farbschichten ab. Das erfordert Fingerspitzengefühl und Erfahrung, schließlich soll die unterste Farbschicht erhalten bleiben.

Für die freiberuflichen Restauratoren – Melissa Speckhardt leitet das Team gemeinsam mit ihrem Kollegen Martin Hess – bedeutet die staatliche Großbaustelle für mehrere Jahre eine sichere Auftragslage bei einem guten Stundensatz. So gesehen sei es ein Traumjob, sagt Speckhardt. Andererseits wiederholen sich viele Arbeitsgänge auf den riesengroßen Flächen und werden dadurch monoton. Und: „Im Logenhaus gibt es kein Tageslicht, man trägt Schutzanzug und Maske, und die Lüftungsanlage macht Lärm.“

Ohne diese Sicherheitsvorkehrungen wäre die Arbeit jedoch gar nicht möglich. Die Dämpfe des einstmals tonnenweise aufgetragenen Holzschutzmittels gefährden die Gesundheit. Die Raumtemperatur soll nicht mehr als 22 Grad betragen. Die Blutwerte der Restauratoren werden vom Arbeitsmedizinischen Dienst regelmäßig überprüft. Der Job erfordert Idealismus. Belohnt werden die Handwerker mit dem Ergebnis, das jeden Tag wächst. Quadratmeter für Quadratmeter kommen die Originalmalereien zum Vorschein.

Die ursprünglich matten und deshalb empfindlichen Oberflächen sind insbesondere innerhalb der Logen abgerieben oder verrußt vom einstigen Kerzenlicht. „Wir finden die Nutzungsspuren ganz großartig“, sagt Speckhardt. „Die Geschichte des Hauses soll wieder lebendig werden. Hier waren Leute drin, die sich über die Brüstung oder an die Rückwände gelehnt haben. Hier wurde früher gegessen. Das alles kann man an den Spuren sehen.“ Durch Überpinseln werde das Original vernichtet.

Die promovierte Restauratorin ist gespannt, wie die Besucher auf das neue alte Opernhaus reagieren werden. Die Menschen von diesem Restaurierungs- und Konservierungskonzept zu überzeugen, sei nicht ganz einfach. Da werde es sicher Erklärungsbedarf geben, vermutet sie. „Anderswo glitzert und glänzt alles nach der Restaurierung.“ Im Opernhaus in Bayreuth nicht. Deswegen könne es durchaus passieren, dass die Leute zunächst enttäuscht seien. Denn: „Hier erstrahlt nichts in neuem Glanz.“

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