Melancholie, Humor und Tiefgang: Roadmovie "25 km/h"

1.11.2018, 11:42 Uhr
Melancholie, Humor und Tiefgang: Roadmovie

© Sony

Gemeinsame Abenteuer schweißen zusammen und sind oft für die Erkenntnis gut, dass man auch mal über den eigenen Schatten springen muss, um vorwärts zu kommen. Diese Erfahrung machen auch die beiden Brüder Christian und Georg in Markus Gollers Roadmovie "25 km/h". Eigentlich ist die Geschichte recht einfach konstruiert: Zwei Brüder haben sich auf ihren unterschiedlichen Lebenswegen denkbar weit voneinander entfernt. Bei einem Wiedersehen kommt es zum Streit, alte Wunden brechen auf, aber am Ende stellen beide fest, dass das, was sie verbindet doch mächtiger ist als das, was sie trennt. Man braucht also nicht viel Fantasie, um ziemlich bald vorherzusehen, wie die Geschichte ausgeht, die mit einer brüderlichen Prügelei am Grab des Vaters beginnt. Doch wie es sich für ein veritables Roadmovie gehört, ist auch in "25 km/h" der Weg das Ziel.

Georg (Bjarne Mädel) ist als bodenständiger Schreiner im Schwarzwald geblieben. Über den Tellerrand hat er nie weit hinaus geblickt, dafür aber den Vater bis zum Tod gepflegt. Christian (Lars Eidinger) dagegen lebt ein rastloses Business-Leben im fernen Asien. Schon auf der Taxifahrt zur Beerdigung muss er einsehen, dass die Uhren auf dem Land langsamer ticken — und kommt prompt zu spät. Es braucht ein paar Bier und Apfelkorn bis sich die beiden ungleichen Mittvierziger auf ihre Jugendzeit besinnen und einen Traum aus alten Tagen in die Tat umsetzen: Auf einer alten Zündapp und einem klapprigen Mofa fahren sie so angeschickert wie kurzentschlossen von Schwaben Richtung Ostsee — ohne Helm und genauen Plan.

Glänzendes Dreamteam

Mit Lars Eidinger, der hier seiner ständigen Kino- und TV-Präsenz zum Trotz vollkommen frisch und unverbraucht daherkommt, und Bjarne Mädel setzt der Film auf ein glänzendes Dreamteam, das sich nicht nur beim Tischtennis punktgenau die Bälle zuspielt. Die beiden befeuern sich gegenseitig, ihre Dialoge stecken voller Witz, die Abenteuer, die sie erleben, sind mal herzerfrischend, mal herzerwärmend. Egal, ob die Brüder, die durchgehend ihre schwarzen Anzüge von der Beerdigung tragen, einen flotten Stepptanz hinlegen, sich durch die Speisekarte eines Griechen fressen oder sehr seltsamen Sex haben — die Komödie kippt zu keiner Zeit in billigen Klamauk. Im Gegenteil: Zwischen Streitereien und Momenten inniger Zuneigung ist immer wieder Raum für Melancholie und Nachdenklichkeit, für eine Lebensbilanz, eine späte Einsicht und ehrliche Worte.

Die eine oder andere Wendung ist vielleicht zu originell, um wahr zu sein. Da spielt das Drehbuch die Möglichkeiten des Kinos aus. Doch es ist — abgesehen von kleinen Längen zwischendurch — überaus unterhaltsam, den beiden fabelhaften und facettenreich spielenden Darstellern auf ihrem Weg durch hübsche Landschaften zuzusehen. Je nach Stimmung wechselt auch der Film das Tempo, oft ist er beschwingt und flott, doch er gönnt seinen Protagonisten auch Verschnaufpausen.

Ihr Trip zur See und zur Freiheit ist mit etlichen Begegnungen angereichert, die immer wieder eine eigene kleine Story generieren und die beiden Brüder ein Stück weiterbringen. Franka Potente, Sandra Hüller und Jördis Triebel, Alexandra Maria Lara und Jella Haase haben da sympathische Auftritte. Und sie sind dabei viel mehr als nur Randfiguren neben einem prominenten Männer-Duo. (D/116 Min.)

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