Musikparade ohne Martialisches

11.1.2010, 00:00 Uhr
Musikparade ohne Martialisches

© Michael Matejka

Schon lange vor dem Einlass stehen Leute am Messezentrum und warten auf die «Musikparade«. Einige, weil sie noch keine Karten haben - andere weil sie sich gute Plätze sichern wollen. Eine Türsteherin erbarmt sich angesichts des Winterwetters und lässt die Frierenden in den Vorraum.

Von drinnen tönen zackige Klänge. Auf dem Programm stehen wie immer bei der großen Tournee der Militär- und Blasmusik internationale Orchester, die belegen, wie breit ihr Genre aufgestellt ist. Da wird nicht nur stramm defiliert und schnittig aufgespielt, da erklingen auch Hits, und das zu anspruchsvollen Choreografien.

Blutjunge Akteure

Martialisch geht es wirklich nicht zu: Moderator Björn Gehrmann hüpft vor der Show gutgelaunt herum und klärt noch einiges ab, bevor er sich in die Garderobe zurückzieht, um sich fein zu machen. In der Arena wird Volleyball gespielt, bevor das Publikum herein darf. Die Akteure sind blutjung und tragen Jeans statt Uniformen. Sie gehören zum Marsch- und Drillkontingent« aus Oberlichtenau. «Wir sehen uns als moderne Big Band« erklärt Thomas Anders. Der fidele Kerl, seines Zeichens musikalischer Leiter des Spielmannszuges, heißt tatsächlich so.

Was er mit seinem Team später auf die Bühne bringt, klingt aber gar nicht nach Modern Talking: «Burning Heart« und «Eye of the tiger« aus den Rocky-Filmen und die Romantik-Nummer «The boxer«. Dazu wird - jetzt in Gala-Uniformen - wohlgedrillt marschiert, aber eher wie eine Marching Band als wie die Bundeswehr. «Nein, mit dem Militär haben wir nichts zu tun«, bestätigt Elisa Zschieschank, eine junge Flötistin. Spricht man mit Marketing-Frau Yvonne Swiontek wird klar, dass der Spielmannszug in Oberlichtenau eine wichtige soziale Funktion erfüllt. Er ist Verein, Treffpunkt und Unterhaltung in einem.

Finster dreinblickende Mannen

Im Gegensatz dazu blicken die Mannen vom ukrainischen Militärmusikkorps Odessa in ihren beige-grauen Uniformen und runden Kappen finster drein. Dafür erstaunen sie nachher in der Aufführung mit einem klassischen Bolero und einem humorvollen Western Medley nach Ennio Morricone, begleitet von Tänzern - professionell und unterhaltsam.

Frankreich ist in Schwarz-Rot mit dem Regiment du Genie vertreten. Die eine Hälfte sitzt lässig in der Garderobe, die andere geht rauchen, weil sie erst nach der Pause dran ist. Dann aber bringen sie Jazziges im Big-Band-Stil zu Gehör. Klassisch in Kilts präsentiert sich Schottland mit den «Pipes and drums«. Die Italiener von «Bersaglieri Siena« mit Federn am Hut, die vorher am eifrigsten geübt haben und im Gang lautstark Absprachen trafen, beschränken sich auf Bass, Trompete und Posaune. Dabei pflegen sie die italienische Tradition des Spielens und Laufens, womit wirklich rennen gemeint ist. Die schnellste Band der Welt vermutlich.

Niederländer sorgen für Applaus

Für viel Applaus sorgt das Fahrradmusikkorps Crescendo aus den Niederlanden, das furiose Kunststücke auf zwei Rädern vollbringt, die kühnsten Formationen mit leuchtenden und qualmenden Reifen fährt und dabei auch noch fehlerlos musiziert. Darauf hatten sich Elke und Heinz Spartner besonders gefreut. Sie lieben Blasmusik und waren schon letztes Mal dabei. «Leider wird es bei dem Wetter kein Abschiedsständchen vor der Türe geben« meinen sie. Schließlich gehen sie nach den obligatorischen «Alten Kameraden« ohne Begleitmusik nach Hause.