Muss man aushalten: "Kettensägenmassaker" erstmals im TV

13.10.2015, 15:29 Uhr
Nicht ohne meine Kettensäge: "The Texas Chainsaw Massacre" ist auf Zelluloid gebannter Terror.

© dpa Nicht ohne meine Kettensäge: "The Texas Chainsaw Massacre" ist auf Zelluloid gebannter Terror.

Tatsächlich: Das "Blutgericht in Texas" (so der dürftige deutsche Titel des Texas Chainsaw Massacre) ist eine filmgewordene Kettensäge. Deren Rattern mischt sich in das schier endlose Gekreische eines jungen Mädchens, das um ihr Leben rennt. Verfolgt wird sie vom ebenso hünenhaften wie stumpfsinnigen "Leatherface", der sich nur zu gern mit der Gesichtshaut seiner Opfer maskiert.

Das Mädchen ist nach 83 Minuten blankem Terror die letzte Überlebende einer Gruppe bekiffter Teenager, die in einem Kleinbus durch die texanische Wüste touren und dabei dummerweise in das Höllenhaus einer degenerierten Familie von Hinterwäldler-Kannibalen geraten. Der Rest ist Filmgeschichte.

Regisseur Tobe Hooper ("Poltergeist") lieferte 1974 die Blaupause für alle jene Streifen, die man heute gemeinhin als Slasher- beziehungsweise Backwoods-Filme bezeichnet: Teenies werden mitten im Nirgendwo von einem oder mehreren Killern gemeuchelt. Was das "Kettensägenmassaker" trotz dieser banalen Grundidee so einzigartig macht, lässt sich am besten damit erklären, was dem Film fehlt. Nämlich die plumpe Brutalität und Hektoliter an Blut, die in unzähligen Nachahmerfilmen längst zum Selbstzweck verkommen sind.

Alptraum ohne Entrinnen

Das Original hingegen zehrt an den Nerven, der Terror ist psychologischer Natur, die grotesken Bilder aus dem Horror-Haus mit seiner Innendeko aus Tier- und Menschenknochen und die verstörende Hintergrundmusik aus Industrial-Klängen entfalten eine hypnotische Sogwirkung - bis man unversehens mitten drin ist, in einem morbiden Alptraum ohne Entrinnen. Diesen gilt es schlichtweg auszuhalten, was spätestens bei der legendären "Dinner-Szene" (die nicht wenigen als die am schwersten zu ertragende Filmszene überhaupt gilt) zur Tortur wird. An Grausamkeit ist das texanische Blutgericht nicht zu überbieten. Und das, obwohl in den letzten 40 Jahren deutlich explizitere Werke entstanden.    

Denn was das Horror-Genre angeht, ist der Cineast von heute einiges gewohnt: Allein die unüberschaubare Masse an indizierten Filmen der jüngeren Vergangenheit bestätigt, dass grundsätzlich jede Idee verfilmbar ist. Und damit jede ethische (Schmerz-)Grenze überschreitbar. In Sachen Abscheu und Brutalität gibt es nichts, was es nicht gibt, vor allem abseits jener populäreren Produktionen, die auch in unseren Kinos laufen und sich insbesondere auf den Fake-Doku-Stil a la "Blair Witch" oder  "torture porn"-Formate wie "Saw" oder "Hostel" konzentrieren.

Die hemmungslosesten (und fragwürdigsten) Gewaltfantasien führen ein Schattendasein auf ausgesuchten Festivals, erhältlich sind sie höchstens auf DVD, Blu-ray und online, weil sie hierzulande schnell auf dem Index landen. Vielen Werken muss man dabei nicht nachtrauern, das "Blutgericht in Texas" jedoch befand sich seit der Indizierung (1982) und Beschlagnahmung (1985) in Deutschland zu Unrecht unter Verschluss. Seinen künstlerischen Mehrwert erkannten die Behörden spät, erst im Dezember 2011 gab ihn die Staatsanwaltschaft wieder frei. 

Horror vor und hinter der Kamera

Dank seiner stilbildenden Serienkiller-Ästhetik hielt der Film schnell Einzug in die Popkultur. Allegorien zur amerikanischen Geschichte waren 1974 unvermeidlich, von der Mordserie der Manson Family über das Scheitern der Hippie-Bewegung bis hin zu den Folterorgien des damals noch andauernden Vietnamkrieges: Referenzen hierfür lassen sich in fast allen Szenen finden. 

Deren Intensität ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Dreharbeiten selbst zum Alptraum gerieten. Cast und Crew bestanden aus Laien und Studenten, der Drogenkonsum war enorm, 16-stündige Arbeitstage in sengender Hitze keine Seltenheit, Geld für Requisiten und vernünftige Sicherheitsvorkehrungen kaum vorhanden. Folglich gab es ständig Unfälle und Verletzte, das Blut im Film ist teilweise ebenso echt geflossen, wie die echten Knochen und Tierkadaver das Set in Verwesungsdämpfe hüllten.

Kabel1, selbsternannter Sender für die "besten Filme aller Zeiten", zeigt mit  The Texas Chainsaw Massacre am 15. Oktober (23.55 Uhr) tatsächlich den vielleicht besten Horror-Film aller Zeiten erstmals im Free-TV. Der leicht verstörte Blick, den am Freitagmorgen so manch einer auf der Arbeit haben wird, ist also gerechtfertigt.

Dass der Klassiker unnötigerweise mehrfach fortgesetzt und neuverfilmt wurde, sei hier nur am Rande erwähnt. Zuletzt geschah es 2003 unter der Ägide von "Transformers"-Fabrikant Michael Bay. Dessen digital getuntes Kettensägengeratter kann man getrost vergessen.

Verwandte Themen


3 Kommentare