Mythos Burg: Zu viele Märchen übers Ritterleben

10.2.2009, 00:00 Uhr
Mythos Burg: Zu viele Märchen übers Ritterleben

© Stefan Hippel

Ritterfilme findet Ulrich Großmann mitunter «furchtbar witzig». Schließlich betrachtet er sie mit dem Sachverstand des Burgenexperten. «Es wird in solchen Streifen oft der Eindruck vermittelt, die Ritter sitzen mit Rüstungen zum Essen am Tisch und die Burgen seien permanent umkämpft gewesen», sagt der Chef des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, der zugleich Vorsitzender der Wartburggesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern ist.

Mittelalterliches Leben auf den Burgen meist friedlich

Dass diese Erforschung - bei allen Schwierigkeiten - weiterhin dringend nötig ist, daran lässt Großmann keinen Zweifel. Denn es gelte aufzuräumen mit vielen Irrtümern, die über mittelalterliche Burgen kursieren. Beispiele hat er reihenweise parat: «Es ist falsch, dass jede Burg einen Burgfried hat. Es ist falsch, dass jede Burg einen Palas hat. Es ist falsch, dass in jeder Burg gefoltert wurde. Und es ist falsch, dass auf Burgen ständig gekämpft wurde», sagt Großmann. Das mittelalterliche Leben dort sei an sich sogar überwiegend friedlich gewesen: «Eine Burg wurde durchschnittlich einmal im Jahrhundert belagert», stellt Großmann klar.

Heutzutage belagern Besucherströme die Bauwerke, die im Mittelalter zu Wehrzwecken, aber auch als repräsentative Adelssitze errichtet wurden. «Es gibt einen Boom. Das Interesse wird immer größer. Manche Burgen haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht», sagt Großmann und nennt als Beispiel die Haut-Koenigsbourg im Elsass, wo im vergangenen Jahr 550 000 Besucher gezählt wurden.

Präsentation für das Publikum unzureichend

Ungnädig fällt Großmanns Urteil über die sachgerechte Publikumspräsentation der Burgen im deutschsprachigen Raum aus. Auch die Nürnberger Kaiserburg kommt bei ihm in dieser Hinsicht nicht sonderlich gut weg. Von den insgesamt rund 10.000 Burgen sind seiner Meinung nach nur zehn für die Besucher «gut aufbereitet». Seine Kritik zielt auf die Wissensvermittlung: «Man hört dort viel Unfug», klagt er und nennt als Beispiel für die Verbreitung falscher Vorstellungen vom Ritter(fräulein)leben die Marcksburg bei Koblenz: Dort werde ein Himmelbett in einem vermeintlichen Schlafzimmer mit Kamin gezeigt. Kann nicht sein, weiß Großmann: «Schlafräume auf Burgen im deutschsprachigen Raum waren immer unbeheizt.» Folglich stehe das Bett heute in einem ehemaligen Wohnraum.

Deutsches Burgenmuseum im Bau

Die falschen Bilder von Burgen, die ihre Blütezeit im 12. und 13. Jahrhundert hatten, rühren aus dem 19. Jahrhundert. Damals begann die Burgenforschung, konzentrierte sich aber, so Großmann, auf die Untersuchung der Bauwerke und auf militärische Fragen. «Damals wurde ein Bild entwickelt, das sich immer mehr verfestigt hat. Es legt sich wie ein Film zwischen die ältere Geschichte und die Gegenwart», sagt er. Moderne Forschung - wie sie im GNM für die zusammen mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin für 2010 geplante Ausstellung «Mythos Burg» und auch für die Einrichtung des Deutschen Burgenmuseums auf der Heldburg betrieben werde - arbeite interdisziplinär. «Bislang hat zum Beispiel noch kein Burgenforscher ernsthaft die Buchmalerei zur Kenntnis genommen», klagt Großmann. Die sei aber eine ebenso vielversprechende Quelle über das Alltagsleben wie Geschirr, Kochrezepte oder Rechnungen von Festen.

Zur «größten Burgentagung seit Jahren» lädt er nun vom 19. bis 22. März Kollegen auf die Wartburg bei Eisenach ein. Die Erkenntnisse des Experten-Treffens - laut Großmann gibt es rund 250 Burgenforscher in Deutschland - sollen in die Ausstellung «Mythos Burg» einfließen. Die Tagungsergebnisse dienen aber auch als Grundlage für die Einrichtung des Deutschen Burgenmuseums auf der Heldburg in Südthüringen. Für Baukosten zwischen fünf und sieben Millionen Euro wird das Museum in 40 Räumen bis 2013 entstehen. Großmanns Ansprüche bei der Wissensvermittlung sind dabei hoch: «Ich möchte, dass die Heldburg ein Vorbild wird.» Ritterfilme dürften hier also vermutlich nicht zu sehen sein - und wenn, dann zur Belustigung des solide informierten Publikums.

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