NDR-"Tatort": Zwischen Demagogen und anderen Chaoten

17.12.2017, 21:45 Uhr
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© WDR/Uwe Stratmann

Der "Tatort" steht dafür, aktuelle Stimmungen und Veränderungen innerhalb der Gesellschaft wahrnehmen zu können und diese in Kriminalfälle zu kleiden. Insbesondere die Episoden mit Kommissar Falke bestechen durch ihre Realitätsnähe. So wurde beispielsweise in "Verbrannt" der existente Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh, der vor über zehn Jahren in einer Gefängniszelle des Polizeireviers Dessau zu Tode kam, aufbereitet. Auch Falkes letzter, erst vor drei Wochen gesendeter, Einsatz besaß einen aktuellen Bezug. "Böser Boden" wies auf die Gefahren der Erdgasgewinnung durch Fracking hin. Über die Tatsache, dass dieser Film hin und wieder übers Ziel hinausschoss, hüllen wir an dieser Stelle gerne das Mäntelchen des Schweigens.

Weil nun seit einer Weile in halb Europa ein widerliches Gespenst namens Nationalismus umgeht und überdies ein besonders gefährlicher Populist und Tatsachenverdreher in den Vereinigten Staaten das Zepter schwingt, war es letztendlich nur eine Frage der Zeit, bis dass Das Erste einen "Tatort" präsentiert, der sich mit eben dieser Thematik beschäftigt. Mit "Dunkle Zeit", in dem unübersehbare Parallelen zur AfD deutlich werden, findet "das mächtige Beben des Rechtspopulismus nun einen Widerhall am Sonntagabend um viertel nach acht", so Christian Granderath, Fernsehspielleiter beim Norddeutschen Rundfunk.

Die "Petry-Blaupause" und ihr "Westentaschen-Goebbels"

Niki Steins komplexer und dialogreicher Krimi beginnt damit, dass Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) zum persönlichen Schutz von Nina Schramm (Anja Kling), Vorsitzende der "Neuen Patrioten", abgestellt werden. Die "Petry-Blaupause" und "Weidel-Doublette" erhält Drohungen aus dem linken Spektrum und ist eine gewiefte Demagogin. Darüber hinaus weiß sie, ihre Gegenüber nicht nur mit Buchstaben um den Finger zu wickeln. Und sie macht das, was alle Populisten tun. Sie legt ihre Finger in die Wunden der Gesellschaft und offeriert für gesunde Ohren billig klingende Lösungen auf Probleme, für die es keine gibt.

Insbesondere Falke, dem "Jungen aus dem Beton", passt sein neuer Job gar nicht in den Kram. Daher macht der Polizist, der so links ist, wie ein Polizist links sein kann, aus seiner Abneigung keinerlei Hehl. Während Falke also lautstark protestiert, und Schramms schmierigen Assistenten einen „Westentaschen-Goebbels“ nennt, agiert Grosz weitaus besonnener. Auch sie zeigt sich zwar angewidert. Doch vermag sie es, ihre Abscheu nach außen hin besser zu verpacken. Eine Gabe, mit der übrigens weitaus mehr Frauen als Männer gesegnet zu sein scheinen. In diesem konkreten Fall ist es so ganz nebenher ein weiteres Indiz dafür, wie unterschiedlich die zwei Ermittler ticken. Da wundert es natürlich nicht, dass Falkes Versuch, Grosz das Du anzubieten, fürs Erste ziemlich in die Hose geht. Immerhin siezt man sich nun beim Vornamen.

Parallelen zwischen Wirklichkeit und Fiktion

Weitaus erfolgreicher als Falkes Bemühungen, den Knoten der Verkrampfung zwischen ihm und seiner Kollegin zu lösen, erweisen sich die Ermittlungen der beiden Cops. Nach und nach dröseln sie nämlich auf, dass die Drohvideos fingiert waren und dass es innerhalb der Partei nicht nur wegen eines von einer Journalistin enthüllten Finanzskandals gewaltig rumort. Auch an der Behauptung, der "linke Mob" stecke hinter dem Attentat auf Schramms Mann, mehren sich Zweifel. Daher blicken die Kommissare am Ende ihrer Arbeit auf einen ziemlich großen Scherbenhaufen, den die "Neuen Patrioten" da hinterlassen und zu verantworten haben.

Regisseur Niki Stein, auf dessen Konto schon etliche "Tatort"-Episoden gehen, hat seine Geschichte über die Machenschaften einer rechtspopulistischen Partei schonungslos und mit aller Konsequenz umgesetzt. In seiner Arbeit sind die zahlreichen Parallelen zwischen Wirklichkeit und Fiktion, zwischen real existierenden Demagogen und den erfundenen unübersehbar. Selbst wenn Stein den Bogen hier und da überspannt, manche Szenen, wie die der Randale vor einer Halle, in der die Partei eine Versammlung abhält, gestellt und gekünstelt wirken, verdeutlicht "Dunkle Zeit" unmissverständlich welch große Gefahr von Rechtspopulismus ausgeht.

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