Neuer Berlinale-"Tatort" verblüfft - und das im positiven Sinn

18.2.2018, 21:45 Uhr
Neuer Berlinale-

© rbb/Reiner Bajo

Vor gut acht Wochen lief der letzte Berliner "Tatort" im Ersten. Eben deshalb ist die Erinnerung an Felix Baxmeyers Film noch ziemlich frisch. Bei "Dein Name sei Harbinger" handelte es sich um einen erneuten Action-Krimi, in dem Kamerafrau Eva Katharina Bühler ständig die Perspektive wechselte. Dadurch gerieten ein weiteres Mal viele neue Seiten der Stadt vor die Linse, wie beispielsweise eine Eisengießerei in Wilhelmsruh, die erstmals für Dreharbeiten zur Verfügung stand, und die kaum zugängliche, bedrohlich erscheinende, Unterwelt unter den U-Bahnhöfen Alexanderplatz und Schlossstraße.

Kulissen wie diese bestätigen immer wieder aufs Neue, dass die Metropole neben den beiden Ermittlern der heimliche Star der Spree-Episoden ist. Der neue Fall bildet da keinerlei Ausnahme. Berlin bleibt dritter Hauptdarsteller. So geht es in "Meta" munter zwischen Kreuzberg und Karlshorst, Prenzlauer Berg und Wilhermsdorf hin und her. Doch damit nicht genug. Dank einer offiziellen Drehgenehmigung ermitteln Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) in ihrem siebten Einsatz sogar auf dem roten Teppich der Berlinale.

Das hat natürlich seinen Grund. Schließlich gerät in "Meta" eine Filmproduktionsfirma unter Verdacht, in einen Mordfall verwickelt zu sein. Ein kluger Einfall von Drehbuchautor Erol Yesilkaya, eine Kriminalgeschichte innerhalb der Filmbranche zu verorten. Yesilkaya geht daneben ein "Tatort" von der Hand, in dem Minute für Minute sämtliche Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Das lediglich als anspruchsvoll zu beschreiben, käme einer Untertreibung gleich. "Meta" bietet gehobene Fernsehunterhaltung, ohne auch nur einen Moment verkopft zu wirken. Ganz anders, wie der von der Grundidee nicht all zu weit entfernte Murot-Fall "Wer bin ich?", der nach einer Weile ins Absurde abdriftete.

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© ARD/rbb

Ein ominöses Päckchen auf dem Präsidium

In "Meta" beginnt der Schlamassel mit einem Päckchen, das eines Tages auf Karows Schreibtisch landet. Darin befindet sich ein in Formaldehyd eingelegter Finger. Das abgetrennte Körperteil gehört zu einem ermordeten Straßenmädchen. Die vollständige Leiche wird kurze Zeit später in einem Storage aufgefunden. Ebenfalls in Formaldehyd eingelegt und offenbar seit über einem Jahr tot.

Die Ermittlungen führen zu einer Filmproduktionsfirma und Regisseur Schwarz (Isaak Dentler). Deren neuer Spielfilm feiert Weltpremiere auf der Berlinale. In diesem Thriller wird die Prostituierte Svenja Martin auf die selbe Weise getötet, wie die Frau im aktuellen Fall. Rubin und Karow sind irritiert. Und nachdem sie sich den Film ansehen sprachlos. Denn die sich in der Realität gerade abspielenden Ereignisse decken sich mit allem, was den Polizisten Poller (Ole Puppe) und Blume (Fabian Busch) im Film widerfährt. Das kann kein Zufall sein.

Der "echte" Regisseur Sebastian Marka schickt seine Protagonisten bereits nach wenigen Spielminuten auf einen abenteuerlichen Fahndungstrip quer durch die Hauptstadt. Dank des fintenreichen Drehbuchs bricht Marka mit den üblichen Erzählstrukturen eines Krimis und sorgt letztendlich dafür, dass "Meta" ein ums andere Mal verblüfft. Die tatsächlichen Ermittlungen von Rubin und Karow wechseln sich mit gefilterten Bildern aus dem Spielfilm ab. Zuweilen ist das ganz schön irre. Musik verknüpft dabei die verschiedenen Ebenen auf beeindruckende Weise. Manchmal treibt die Vermengung der Erzählstränge, von Wahrheit und Film, derartige Blüten, dass Karow in einer Szene gar die Jacke von Filmpolizist Poller trägt.

Auf den Spuren von Robert de Niro

So ganz nebenbei erfährt Scorseses "Taxi Driver" in Markas und Yesilkayas "Film im Film im Film" eine Huldigung. Mehrere Passagen des Klassikers rauschen zum Teil unbemerkt durchs Bild. Unbemerkt deshalb, weil die Sequenzen in einer bemerkenswerten Ästhetik in die Handlung eingebettet sind. Sie wirken nicht wie Fremdkörper, sondern erscheinen als Teil des Gesamtbilds. Es gibt sogar eine optische Gemeinsamkeit zwischen "Taxi Driver" Robert de Niro und dem ebenfalls auf einer Irrfahrt befindlichen Karow: Beide Protagonisten sind nach einem Kampf von eine Narbe an gleicher Stelle gezeichnet.

Das Ende des zweiten Aktes muss Karow übrigens auf sich alleine gestellt bestreiten, da Rubin just zu diesem Zeitpunkt wieder mal privater Ärger ins Haus steht. Immerhin scheint es, als gelänge es ihr, die neuerlichen Probleme zumindest teilweise beiseite zu schieben. Ein kleiner Fortschritt im Leben der Beziehungstrümmerfrau. Apropos Fortschritte. Die deuten sich ebenso auf dem Präsidium an. Vom Du sind die Alleinerziehende und der Macho zwar noch weit entfernt. Doch diese bis dato so große emotionale Distanz zwischen den Kommissaren verkleinert sich in "Meta". Daher ist Markas "Tatort" weit mehr als nur ein herausragender Thriller, weil er Rubin und Karow einen kleinen Schritt aufeinander zugehen lässt. Dieser reizvolle Ansatz macht viel Appetit auf die kommenden Episoden aus Berlin.

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