Neuerwerbung des Germanischen Nationalmuseums: Büste der Universitätsmamsell

23.2.2018, 08:39 Uhr
Neuerwerbung des Germanischen Nationalmuseums: Büste der Universitätsmamsell

© Germanisches Nationalmuseum

In Göttingen gehörte sie zu den als „Universitätsmamsellen“ bezeichneten, literarisch tätigen Professorentöchtern und pflegte intensive Kontakte zum Dichterkreis des Eutiner Hofs, dem „Weimar des Nordens“. 1792 heiratete sie den Lübecker Patrizier und Kaufmann Mattheus von Rodde, der 1806 zum außerordentlichen Bürgermeister der Hansestadt gewählt wurde.

 

Deutsch-Französische Beziehungen

 

In der „Franzosenzeit“ (1806-1813) bestimmte von Rodde das Schicksal Lübecks entscheidend und reiste in diesem Zusammenhang mehrmals nach Paris, wo er seine Gattin offenbar mehrfach porträtieren ließ. Zu diesen Werken gehört auch die Büste von Alexis Poitevin aus dem Jahr 1806, die das Germanische Nationalmuseum jetzt mit Hilfe der Ernst-von-Siemens Kunststiftung erwerben konnte. Eine wohl im selben Jahr entstandene Büste der jungen Frau, die Jean-Antoine Houdon für von Rodde schuf, befindet sich im Berliner Bode-Museum.

 

Der Ankauf der mit 63 cm etwa lebensgroßen Terrakottabüste ist für die Sammlung des Germanischen Nationalmuseums in mehrfacher Hinsicht von herausragender Bedeutung. So ist bislang die Gattung des plastischen Porträts in nur wenigen Beispielen vertreten, der Ausstellungsraum „Der Mensch und sein Bildnis im 18. Jahrhundert“ in der Dauerausstellung „Renaissance, Barock, Aufklärung“ wird nun um ein außerordentlich originelles, lebensnahes Frauenbildnis von hoher künstlerischer Qualität ergänzt und bereichert.

 

Die Tatsache, dass die Büste in Paris entstand, zeigt außerdem die um 1800 wesentliche Orientierung der Deutschen an der Pariser Kultur. Sie lässt auf Tragweite und Gewicht des plastischen Bildnisses innerhalb der intellektuellen und künstlerischen Zirkel der französischen Hauptstadt schließen, in denen sich damals zahlreiche Deutsche bewegten. Neben der Reihe bekannter Aufträge deutscher Adliger an Jean-Antoine Houdon eröffnet Schlözers Bildnis prinzipielle Überlegungen zu unmittelbaren Beziehungen zwischen deutschen Eliten und französischer Porträtkunst jener Zeit. Insofern bildet die Büste ein Schlüsselobjekt.

 

Besonders spannend ist neben den kunstgeschichtlichen Aspekten aber auch die Geschichte der Dargestellten. Sie zählte zu den prominenten und hinsichtlich der deutschen Bildungs- und Kulturgeschichte bedeutsamen Persönlichkeiten der Zeit um 1800. Als Tochter des Göttinger Historikers und Staatswissenschaftlers August Ludwig von Schlözer war sie umfassend gebildet und zum Zeitpunkt ihrer Promotion gerade einmal 17 Jahre alt.

 

Frühes Beispiel einer weiblichen Büste

 

Der sie porträtierende Bildhauer Alexis Poitevin gehörte zu den namhaften Pariser Klassizisten. Er war Absolvent der Königlichen Akademie und Schüler Houdons und erwarb sich Ruhm vor allem als Schöpfer lebensgroßer Sakral- und Denkmalsplastik sowie der Büsten von Gelehrten. Da plastische Brustbilder von Frauen selbst in dieser Zeit noch selten waren, verdient die Neuerwerbung auch in dieser Hinsicht besondere Aufmerksamkeit.

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare