Nimmermehr II: Böse Träume zum Weltuntergang

30.4.2016, 19:47 Uhr
In unserer monatlichen Kolumne "Nimmermehr" widmen wir uns dem kosmischen Horror, Urängsten und Stoff für Gänsehaut - der dunklen Literatur, Schauerbüchern und Weird Fiction.

© Benedikt Beck (Illustration) In unserer monatlichen Kolumne "Nimmermehr" widmen wir uns dem kosmischen Horror, Urängsten und Stoff für Gänsehaut - der dunklen Literatur, Schauerbüchern und Weird Fiction.

Thomas von Steinaecker - Die Verteidigung des Paradieses

Thomas von Steinaecker gehört zu den Guten. Zumindest darin sind sich die verschiedenen Feuilletons des Landes einig. Denn von Steinaecker traut sich was – und das ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur schon Alleinstellungsmerkmal genug. In Die Verteidigung des Paradieses lässt der 39-Jährige den jugendlichen Heinz (!) eine Dystopie erzählen. Andere Autoren malen bei diesem Genre seit Jahren nur noch Die Straße von Cormac McCarthy nach – mal mehr, mal weniger überzeugend.

Nimmermehr II: Böse Träume zum Weltuntergang

© Fischer / PR

Doch von Steinaecker löst sich davon. Auch bei ihm bewegen sich die Figuren verlassene Straßen entlang, allerdings sind sie davor erst einmal ziemliche Stubenhocker. Erst eine Explosion setzt sie in Gang. Und dann ist das menschenleere Deutschland doch gar nicht so menschenleer.

Die Verteidigung des Paradieses greift sich Versatzstücke aus Comics und Horrorromanen, bekannten Dystopien und klassischer Literatur und setzt sie zu einer großen Erzählung zusammen. Mit seinem Erzähler geht es von Steinaecker hier manchmal durch, das ist nicht immer unbedingt authentisch. Hat aber alles seinen passenden Grund, warum das so ist. Zudem spielt dieser Roman selbst wieder und wieder damit, ob er nun Literatur sei oder nicht. (Ist er. Und zwar große, wenn auch nicht übergroße Literatur.) Denn immerhin wirft Heinz dem Leser auch gerne die Anfangssätze der Bücher des Kanons der Weltliteratur hin. Die Apokalypse war selten bunter, fesselnder, aufregender, grausamer und phantastischer als hier. Und am Ende bleibt die Erkenntnis: Nur das eigene Stofftier kann den Menschen vor dem Übel retten.

Damien Angelica Walters - Paper Tigers

Nimmermehr II: Böse Träume zum Weltuntergang

© Dark House Press / PR

Wir müssen alle mit unseren eigenen Monstern klarkommen. Das hat uns die Horrorliteratur seit Jahrzehnten erzählt. Und auch Damien Angelica Walters erzählt in ihrem Roman Paper Tigers davon. Allerdings hat dieses Buch die Kraft mehrere Wochen Selbsterfahrung in abgelegenen Waldhütten zu ersetzen. Die junge Frau Alison verliert nach einem Brand alles – ihr Aussehen, ihre Träume, ihren Verlobten. Mit ihrer verbrannten Haut traut sie sich nur noch bei Nacht auf die Straße. Über einen Zufall erhält sie ein Fotoalbum, dessen Geister ihr wiedererlangte Schönheit versprechen. Das liest sich erst einmal so plump wie der Inhalt eines Groschenromans, doch lässt sich die Schönheit und Kraft dieses Buchs kaum mit Gold aufwiegen.

Denn Walters hat in ihrem ersten Roman, der bisher nur auf Englisch erschienen ist, eine so saubere und tolle Sprache, sie erzählt diese Geschichte mit so viel Gefühl und Einblick in das Seelenleben von Alison, dass Paper Tigers zu den besten Horrorromanen der letzten Jahren gehört. Alles knüpft hier an die frühen Geistergeschichten an, die Vergleiche in amerikanischen Reviews mit Shirley Jackson lagen da nicht fern. Das Läuten der Standuhren wird nach diesem Roman für Gänsehaut und Schweißausbrüche sorgen.  Unsere eigenen Monster können wir besiegen. Unsere eigenen Dämonen in die Unterwelt zurückschicken. Doch was bleibt dann? Die Antwort steht in diesem Buch. Und sie ist nicht besonders trostspendend.

Stephen King - Basar der bösen Träume

Nimmermehr II: Böse Träume zum Weltuntergang

© Heyne / PR

Der Leser ist ein Arbeitstier. Wenn er sich schon die Mühe macht, ein Buch aufzuschlagen, dann soll es bitte ordentlich viele Seiten haben. Für den Preis eines Eigentlich müssten wir tanzen gibt es immerhin schon die Staffel einer beliebigen amerikanischen Qualitätsserie. Also, bitte den nächsten Tausendseiter rein! Zuverlässiger Autor in dieser Kategorie bisher: Stephen King.

Allerdings hat der Großmeister der amerikanischen Horrorliteratur bei seinem Basar der bösen Träume die kleine Form gewählt – Kurzgeschichten. Das ursprüngliche Zuhause des Grusels, das einst Edgar Allan Poe zimmerte. Zwanzig Geschichten gibt es im Basar der bösen Träume und mit Mile 81 hat King hier einen seiner besten Texte untergebracht. Allerdings nicht, weil das Monster hier besonders furchteinflößend wäre, sondern weil King zeigt, dass kaum ein Autor es versteht, Menschen mit so wenigen Sätzen zu charakterisieren wie er. In Batman und Robin haben einen Disput erzählt er dann ein modernes kleines Märchen, in dem sich sogar Alzheimer wenigstens für ein paar Momente überlisten lässt.

Schon wie in Revival geht der 68-jährige Bestsellerautor auch hier an existenzielle Fragen ran. Das Leben nach dem Tod, die Frage nach der Liebe. Alles drin. Allerdings natürlich nur in der Tiefe, die amerikanische Popkultur zulässt. Das lohnt sich trotzdem. Sogar so sehr, dass sich auch die plumpen Gedichte Kings ertragen lassen, die es ebenfalls in diesen Band geschafft haben.

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