Nürnbergs Schauspiel-Chef macht Schluss

13.12.2017, 12:00 Uhr
Nürnbergs Schauspiel-Chef macht Schluss

© Foto: Roland Fengler

"Das Stück hat überhaupt nichts mit Politik und erst recht nicht mit Korea zu tun", klärt Klaus Kusenberg gleich zu Anfang mögliche Missverständnisse auf. In dem Stück des französischen Erfolgsdramatikers Joël Pommerat geht es um die (Un–)Möglichkeit der Liebe in komplizierten Zeiten. Es sind 20 Mini-Dramen mit rund 50 verschiedenen Figuren. "Ich vergleiche das mit einem Drohnenflug über einer großen Stadt", sagt Kusenberg. "Immer wieder gleitet die Drohne hinunter und guckt in viele Schlaf- und Wohnzimmer. Wir bekommen Einblicke in die aktuelle Verwirrung der Gefühle."

Der preisgekrönte Theatermacher Pommerat (Jahrgang 1963), der zunächst mal für seine eigene Schauspieltruppe Stücke schreibt, hat sich dafür von Arthur Schnitzler, Anton Tschechow und Ingmar Bergman inspirieren lassen. Eine gelingende Beziehung - so lautet die Quintessenz – ist so unwahrscheinlich wie die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea. Die einzelnen Episoden sind mal skurril, mal ernst oder tragisch: Eine Frau will nach 20 Jahren Ehe ohne ersichtlichen Grund die Scheidung, Der Mann einer anderen Frau erhängt sich, weil er das Alleinsein nicht erträgt. Die Schwester einer Braut verliebt sich in den Bräutigam. Ein Lehrer gerät völlig ohne Grund in den verdacht des Kindsmissbrauchs. Und so weiter...

"Ich finde, das ist ein tolles Stück voller Weisheit", sagt Kusenberg. "Und es ist ein aktuelles Beispiel für die derzeit ungeheuer produktive Theaterszene in Frankreich. Pommerat beobachtet die gesellschaftliche Wirklichkeit sehr genau und findet dafür einen leichten Ton."

Kusenberg, der Anfang der nächsten Spielzeit für vier Jahre die Leitung des Schauspiels am Theater Regensburg übernimmt, hat das Stück vor allem aus pragmatischen Gründen gewählt: Er kann noch einmal sein ausgezeichnetes Schauspiel-Ensemble präsentieren, genau gesagt wirken zehn Akteure in verschiedenen Rollen mit. Es gibt keine Hauptrollen, alle kommen zum Zug, denn alle Figuren sind gleichwertig. Außerdem lässt sich das Stück häppchenweise proben. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wie sich jetzt herausstellt. Denn Kusenberg ist in seiner letzten Nürnberger Spielzeit viel beschäftigt.

"Es ist eine schwierige Phase", sagt er. Am Anfang der Saison meldeten sich mehrere Schauspieler krank, was den Spielplan gehörig durcheinander brachte. Das Ensemble besteht jetzt nur noch aus 21 statt wie bisher aus 26 Mitgliedern, das macht Umbesetzungen zu einem mühseligen Unterfangen. Die geplante Uraufführung von Christoph Nußbaumeders "im Schatten kalter Sterne" musste komplett abgesagt werden.

Außerdem wird Klaus Kusenberg so langsam richtig bewusst, dass nun die Zeit des Abschieds näher rückt: "18 Jahre sind eine verdammt lange Zeit, das kann man nicht einfach so wegstecken." Der Laden in Nürnberg muss weiterlaufen, während Kusenberg für Regensburg einen Spielplan und ein neues Ensemble zusammenstellen muss. Und im Mai übernimmt er am Theater in Heilbronn eine "Tartuffe"-Inszenierung.

Insofern trifft das Pommerat-Stück durchaus die Stimmung im Schauspielhaus: Ein Wechselbad der Gefühle. Bühnenbild und Kostüme entwirft die junge Ausstatterin Ayse Özel. Auch das eine Premiere für Kusenberg. Es ist das erste Mal, dass sein langjähriger Künstlerfreund Günter Hellweg nicht mit von der Partie ist. Über 30 Jahre haben die beiden bei fast jeder Inszenierung zusammengearbeitet, zum letzten Mal bei "Abgefrackt". Jetzt musste Hellweg die Arbeit wegen einer unheilbaren Krankheit aufgeben. Auch das ist für Kusenberg eine neue, schmerzliche Situation - aber auch eine künstlerische Herausforderung.

In der "Wiedervereinigung der beiden Koreas" spielen Mareile Blendl, Josephine Köhler, Bettina Langehein, Nicola Lembach, Adeline Schebesch, Heimo Essl, Michael Hochstrasser, Janco Lamprecht, Stefan Lorch und Marco Steeger.

Premiere am 16. Dezember, 19.30 Uhr, im Schauspielhaus Nürnberg. Karten-Tel.: 01 80/1 34 42 76

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