Pelz und heiße Outfits: "Autoradio Discoteka" verzaubert Arena

19.1.2018, 20:19 Uhr
"Autoradio Discoteka" verzauberte die Zuschauer in der Arena Nürnberg.

© Anestis Aslanidis "Autoradio Discoteka" verzauberte die Zuschauer in der Arena Nürnberg.

Nun, von welcher Größe da die Rede ist, bleibt allein das Geheimnis der Veranstalter, denn dass die Arena sehr befüllt gewesen wäre, kann man nun wirklich nicht behaupten. Ob’s am Ticketpreis von bis zu mehr als 200 Euro gelegen haben mag, bleibt ebenfalls unbeantwortet. Nichtsdestotrotz fanden zahlreiche Mitglieder der russischen Gemeinde den Weg zu diesem Event mit "realen Stars der 80er und 90er Jahre".

Tatsächlich unübersehbar ist der Glanz alter Tage. Man trägt Glitzer, Pelz und Disco-Kugel sowohl im Publikum, das standardtanzend hurtig eskaliert oder sich auf den Fluren über die "Unverschämtheit" mokiert, bereits am Eingang des Reisewodkas beraubt worden zu sein, als auch auf der Bühne, wo ein Victor Ribin in UdSSR-Trikot und fest sitzender Jeans unter frenetischem Gejubel den russischen Wolle Petry gibt und alsgleich für schönste Bierzeltstimmung sorgt.Inwiefern das mit der eingangs geschlusstanz beim Kinderturnen, nur mit mehr Haut, wird auch hier unbeantwortet bleiben müssen, gibt es Moderation wie Zwischenansprachen doch ausschließlich auf Russisch. Es folgen der Auftritt der Formation "Ottawa", die Licht ins Dunkel zahlreicher gedankenlos geträllerter Party-Hits bringt ("Di-Ei-Es-Ci-O!", "Hands Up, Baby Hands Up!") und Stärken im Playback beweist, dramatische Slow Hand-Wodka-Hymnen eines Vladimir Kazmin, ein thematisch glitzernder, ansonsten wenig schillernder Yuri Shatunov und endlich "Boney M.", deren Playback vorsichtshalber so laut ist, dass keine Gefahr besteht, die Live-Stimme durchblitzen zu lassen.

Beim "Ra-ra-rasputin" torkelt es gefährlich, war dann aber doch ein Tanzschritt. Ein Glück. Alena Apina lässt sofortige heimelige Tavernen-Sehnsucht aufkommen, und zwar nach denen, die man gegen 5 Uhr morgens noch dringend besuchen muss, und eine "Nancy"-Band zeigt endlich beeindruckendes Kostüm, das sicher nur versehentlich frappierend an Stanley Kubricks "Clockwork Orange" erinnert. Während unten die Pioniere kasatschoken, betritt oben ein galanter Herr die Bühne. Der hält sich wacker am Piano fest, entdeckt den Text am Teleprompter, und schon singt die ganze Halle "Laschatömikantaaaare!", was die Vermutung nahelegt, es handelt sich bei dem Herrn um Toto Cutugno. 
Der einzige Besucher, der die Bühne stürmen möchte, um ihm zu huldigen (oder ihn zu retten?), wird sogleich von fünf Wächtern niedergerungen. Nur wenig zärtlicher führt man den geschwächten Künstler aus Italien viel zu spät von der Bühne, hinter welcher der deutsche Schlagersänger Thomas Anders seit fünf Stunden auf seinen Auftritt wartet.

Nichtsdestotrotz: Die Halle tobt zu Recht, wir alle hören gern die Lieder unserer Jugend. Inwiefern da die ungeniert verzehrte flüssige Schmuggelware eine Rolle spielt, bleibt wieder unbekannt. Aber auch egal. "Autoradio Discoteka" hält zwar ungefähr nichts von dem, was es versprochen hat – bietet dafür aber ein großartiges Erlebnis und kulturhistorisches Überraschungsevent. Spasibo!

 

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