Picasso als Jagdtrophäe

1.12.2015, 17:10 Uhr
Picasso als Jagdtrophäe

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Auktionserlöse jenseits der 100 Millionen-Dollar-Marke für ein Kunstwerk galten vor einigen Jahren noch als Wunschtraum, inzwischen haben schon zehn Werke diese magische Hürde genommen. Und die Branche wartet gespannt darauf: Wann werden die 200 Millionen geknackt? Doch das Geschehen im Top-Auktionssegment ist für Kunstexperten letztlich nicht maßgeblich für den Markt.

„Das hat mit dem Kunstmarkt nur noch wenig zu tun“, sagt Hans Neuendorf, Gründer des Online-Kunstdienstleisters Artnet. „Das sind Trophäenkämpfe.“ Neuendorf verlässt sich bei der Temperaturmessung des Markts lieber auf das mittlere Segment. Der Kunstmarkt sei „nach wie vor extrem robust“, lautet seine Diagnose. „Es ist wahnsinnig viel flüssiges Geld auf der Welt vorhanden, in den Händen von sehr vielen Menschen in ganz vielen Erdteilen und Nationen“, sagt Neuendorf.

Die Auktionsumsätze sind die einzigen veröffentlichten Zahlen im verschwiegenen Kunstmarkt. Über 50 Prozent der Umsätze werden laut Neuendorf aber im privaten Kunsthandel gemacht. „Was dort passiert, wissen wir nicht.“ So ist es auch nur ein unbestätigtes Gerücht, dass Paul Gauguins Gemälde „Nafea faa ipoipo“ (Wann heiratest du?) für 300 Millionen Euro an einen neuen Besitzer in Katar gegangen sein soll. Damit wäre es das teuerste Bild der Welt.

Philipp von Württemberg, Chef von Sotheby’s Europa und Geschäftsführer Sotheby’s Deutschland, sagt: „Der Markt ist deutlich globaler geworden, überall werden gute Geschäfte gemacht, vor allem auch, weil die Banken eine hohe Liquidität zur Verfügung stellen.“ Die andauernde Niedrigzinsphase begünstigt den Run auf Kunst, aber auch auf Oldtimer oder Juwelen. Sotheby’s versteigerte in Genf einen 12,03 Karat schweren blauen Diamanten für umgerechnet 45 Millionen Euro – natürlich wieder ein Rekord.

Rekord mit Uecker

Der deutsche Kunstauktionsmarkt ist zwar um ein Vielfaches kleiner als der nordamerikanische oder der britische, aber auch hierzulande werden Rekorde aufgestellt. Günther Ueckers Nagelkunstwerk „Hommage à Paul Scheerbart“ wurde bei Ketterer für 300 000 Euro aufgerufen und für fast 1,9 Millionen Euro mit Aufgeld versteigert – ein neuer Auktionsrekord für den Zero-Künstler.

„Jede Auktion läuft besser als die vorhergehende“, sagt Inhaber Robert Ketterer. „Wir profitieren auch von der Kaufkraft der globalen Käuferschichten.“ Allein 2014 habe Ketterer in über 50 Länder verkauft. Im Vergleich zu den Milliardenumsätzen der großen Player nimmt sich der Jahreserlös beim derzeit umsatzstärksten deutschen Auktionshaus dabei eher bescheiden aus. 2014 erzielte Ketterer ein Auktionsergebnis von 47 Millionen Euro – ungefähr so viel, wie der blaue Rekord-Diamant „Blue Moon“ gebracht hatte. Für 2015 erwartet Ketterer eine Steigerung um 20 bis 25 Prozent.

Der Markt saugt angesichts riesiger Nachfrage und kleinem Angebot Kunst auf wie ein Schwamm – in allen Preisklassen. Van Ham in Köln brachte im Sommer in einer mehrtägigen Marathonauktion rund 2300 Kunstwerke aus der Insolvenzmasse des verurteilten Kunstberaters Helge Achenbach unter den Hammer – und erzielte damit rund neun Millionen Euro inklusive Aufgeld. Kunst von zehn Euro bis 316 000 Euro – nichts blieb liegen.

"Grundsätzlich richtig"

Sorgen bereitet den Auktionshäusern in Deutschland allerdings das Kulturgutschutzgesetz, das national wertvolle Güter vor einer Abwanderung ins Ausland schützen soll. Zwar sei es „grundsätzlich richtig, das Gesetz im Zeitalter der offenen Grenzen zu verbessern, sagt Ketterer. „Aber es werden weniger Kulturgüter nach Deutschland kommen, und deshalb auch weniger Kulturgüter verbleiben.“ Bei Ketterer wird 35 Prozent der Ware aus dem Ausland eingeliefert.

Auch Württemberg sagt: „Wenn das Gesetz kommt, könnten sich einige deutsche Sammler überlegen, ob sie ein Spitzenwerk, das sie im Ausland kaufen, überhaupt noch nach Deutschland bringen. Eine Verunsicherung ist da.“

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