Plädoyer für mehr Zeit: Internationale Orgelwoche in Nürnberg

15.3.2018, 17:50 Uhr
Plädoyer für mehr Zeit: Internationale Orgelwoche in Nürnberg

© NNZ

Nach sechs Jahren übergibt Uhde 2019 an den neuen ION-Chef Moritz Puschke – bei stabilem Jahresetat von rund einer halben Million Euro und angehobenen Zuschüssen von Stadt und Freistaat. Rund 30 Prozent machen diese öffentlichen Zuschüsse aus, der große Rest kommt von Sponsoren und dem ION-Freudeskreis. 

Der personelle Wechsel war ein Grund für die Wahl des Mottos, so Uhde bei der gestrigen Programmvorstellung. Vor allem aber habe Nürnberg in zwei entscheidenden Epochen für die Entwicklung der sozialen Zeit eine entscheidende Rolle gespielt: der Frührenaissance mit der Erfindung der Taschenuhr; und der Industrialisierung mit der Normung der Zeit durch die Eisenbahn.

Acht Stunden Unterhaltung

Künstlerisch schlägt sich dieser "Triumph der Zeit" im gleichnamigen Eröffnungskonzert nieder. Das Helsinki Baroque Orchestra präsentiert Händels frühes Oratorium "Il trionfo del Tempo e del Disinganno" – auf einem Laufsteg über den Bänken von St. Sebald. Weit in die Zeit greift die Aufführung von Thomas Tallis’ 40-stimmiger Renaissance-Motette "Spem in Alium" aus: Der Altus Terry Wey und Bariton Ulfried Staber singen in der Lorenzkirche nacheinander alle 40 Stimmen ein, so können die Zuhörer über acht Stunden die Entstehung dieses Werks verfolgen. Rein- und rausgehen sei aber erlaubt, so Uhde. 

Gleich einen ganzen Tag dauern die sieben musikalischen Stundengebete des "Officiums", in der – bei freiem Eintritt in St. Sebald – Gregorianik, Vokalpolyphonie und zeitgenössische sakrale Musik verschmelzen. 
Ein Festkonzert widmet sich dem 300-jährigen Jubiläum und der wechselvollen Geschichte von St. Egidien, Nürnbergs einziger Barockkirche. Aus dieser Epoche stammt auch die Musik, die das "Ensemble Continuum" präsentiert. Eine Brücke zwischen mittelalterlicher spanischer Polyphonie, griechischer Orthodoxie und Gegenwartsmusik schlägt das Wandelkonzert "Paharión" im Kreuzgang und der Kartäuserkirche des Germanischen Nationalmuseums.

Jubiläum: Ein halbes Jahrhundert

Ebenfalls weit ab vom Mainstream bewegt sich die alternative Marienvesper, die Wolfgang Katschner mit der Lautten Compagney Berlin aus der Werk-Sammlung "Selva Morale e Spirituale" Claudio Monteverdis zusammengestellt hat. Eine gewichtige Rolle nimmt der 50. Geburtstag des Internationalen Orgel-Interpretationswettbewerbs ein, bei dem dieses Mal auch die beiden Orgeln in der Klosterkirche St. Ebrach von den Teilnehmern bespielt werden müssen.

Der ebenfalls aus Nürnberg scheidende GMD Marcus Bosch vollendet mit der 4. Sinfonie in St. Lorenz seinen Bruckner-Zyklus. Ziemlich weltlich geht es bei der IONacht zu: Die Konzerte in fünf Kirchen werden erstmals mit einer langen Einkaufsnacht kombiniert.

Neue Einflüsse

Ins zweite Jahr geht der "Orgelwettstreit" in St. Sebald. Neben dem "ION-Lab" gibt es erstmals ein Kompositionsforum als weitere Kooperation mit der Nürnberger Musikhochschule. Ebenso neu ist der regelmäßige, nachmittägliche ION-Treffpunkt im Hotel Saxx am Hauptmarkt.
Zu den weit verstreuten Aufführungsorten passt das Thema des hochkarätig besetzten Symposiums: "Wo spielt eigentlich Musica Sacra?" fragt Folkert Uhde zu seinem Abschied aus Nürnberg.

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