Politdrama "Wackersdorf": Lehrstück über Zivilcourage

20.9.2018, 09:33 Uhr
Politdrama

© Foto: Alamode

Die Folgen des Klimawandels sind längst offensichtlich, der Ausstieg aus der Braunkohlegewinnung ist beschlossen, über den Zeitpunkt wird noch gestritten. Wenn das Energieunternehmen RWE trotzdem auf seinen Schürfrechten beharrt, zeugt das von einem Profitdenken, das jeder Vernunft zuwiderläuft.

In Wackersdorf lagen die Dinge noch anders. Damals war man sich der Umweltgefahren – ob durch fossile Brennstoffe oder die Atomenergie – kaum bewusst. Und doch gab es einen Politiker, den Schwandorfer SPD-Landrat Hans Schuierer, der sich am Ende nicht mit dem Versprechen von 3000 neuen Jobs ködern ließ.

Schuierer (von dem Österreicher Johannes Zeiler sorgsam zurückhaltend verkörpert) und seine Wandlung vom WAA-Befürworter zum erbitterten Gegner stehen im Zentrum von "Wackersdorf". Die gesamte Oberpfalz wird Anfang der 80er Jahre von Arbeitslosigkeit gebeutelt. Im Wirtshaus, wo Schuierer die Gemeinde beschwört, durchzuhalten, prallen ihm Wut und Verzweiflung entgegen. Als der bayerische Umweltminister (als bauernschlaues Schlitzohr: Siggi Zimmerschied) zu einem geheimen Treffen anreist und den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage in Aussicht stellt, wittert der Landrat Morgenluft. Allerdings zeigt der Film schon hier Schuierers feines Gespür für die Arroganz der Münchner Alpha-Tiere gegenüber den Oberpfälzern.

Technologie, Landschaft und Wohlstand

Den Versprechungen des eloquenten Vertreters der Betreiberfirma DWK (Fabian Hinrichs), der ihm von effizienter Hochtechnologie, unberührten Landschaften, Wohlstand und Sicherheit vorschwärmt, möchte Schuierer nur zu gerne glauben. Doch er wendet auch ein, dass er wenig über die neue Technologie weiß.

Der frühere Maurer, den auch als Politiker Bescheidenheit und unbestechliche Integrität auszeichnen, verschafft sich dieses Wissen. In Zeiten, in denen man noch nicht durchs Internet googeln konnte, bedeutete das zeitraubende Buchlektüre. "Sie lesen, was der Feind liest, keine schlechte Strategie", konstatiert anerkennend der nach Schwandorf entsandte Staatsbeamte Claus Bößenecker (Peter Jordan), der unerwartet zum Verbündeten des zunehmend an der WAA zweifelnden Landrats wird.

Keine Effekthascherei

Ohne Effekthascherei begleitet "Wackersdorf" den Prozess der Selbstbehauptung eines Mannes, dem der Rechtsstaat heilig ist und der sich bald in die vorderste Front der Demonstranten stellt, zu denen Pfarrer, Lehrer, Hausfrauen und auf Selbstbestimmung pochende Töchter gehören. Die gewalttätig eskalierenden Konflikte scheinen nur in einigen Original-Aufnahmen auf. Vielmehr zeigt Regisseur Haffner, dass eine engagierte Zivilgesellschaft viel bewirken kann.

Zugleich erinnert der Film an die skandalösen Methoden der CSU-Regierung unter Franz Josef Strauß, die beim Versuch, die WAA-Gegner mundtot zu machen, vor Rechtsbruch nicht zurückschreckte. Höhepunkt war die "Lex Schuierer", die (bis heute in Kraft) dem widerspenstigen Landrat die Entscheidung über die baurechtliche Genehmigung gesetzeswidrig entzog.

Das endgültige Aus für die WAA besiegelte 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Auf ein solch einschneidendes Ereignis können die Aktivisten im Hambacher Forst nicht hoffen. Und der fortschreitende Klimawandel stößt bei denen, die ihre Interessen gefährdet sehen, bekanntlich auf taube Ohren. (D/123 Min)

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