Putin-Protest: Pussy Riot kommen nach Nürnberg

10.1.2018, 05:53 Uhr
Putin-Protest: Pussy Riot kommen nach Nürnberg

© Foto: Mitya Aleshkovsky/dpa

Neonfarbene Sturmmasken aus Wolle, knallige Kleider, ein harter Sound – so stürmte ein Teil des russischen Protest-Kunst-Kollektivs Pussy Riot 2012 den Ambo, die Kanzel der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. In ihrem sogenannten Punk-Gebet prangerten die Frauen das enge Verhältnis zwischen dem russischen Staat und der ultraorthodoxen Kirche an, die offen den russischen Präsidenten unterstützt – "Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin! Vertreibe Putin, vertreibe Putin! / Der KGB-Chef ist euer oberster Heiliger, er steckt die Demonstranten ins Gefängnis. Um den Heiligsten nicht zu betrüben, müssen Frauen gebären und lieben", hieß es in dem Text.

Haft und große Resonanz

Schnell sprengten weltweit Aufnahmen dieses Auftritts einschlägige Internet- und Fernsehkanäle. Mit der Festnahme der damals Anfang 20-jährigen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alyokhina endete ihre Performance. Was folgte, war ein monatelang andauernder Prozess, an dessen Ende zwei der drei Angeklagten für 21 Monate in Haft kamen. Was währenddessen schon begann, waren Pussy-Riot-Demonstrationen auf der ganzen Welt, Popgrößen wie Madonna oder Elton John sprachen sich öffentlich für das Performance-Kollektiv aus und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International nahmen sich des Falles an. Der amerikanische Kabelsender HBO veröffentlichte die Dokumentation "Pussy Riot: A Punk Prayer" mit Prozessaufnahmen sowie Interviews mit Familienangehörigen der Inhaftierten. Der mit verschiedenen Preisen ausgezeichnete Film legte vor allem auch offen, wie willkürlich die russische Justiz handelte.

Protestzug zu Russlandwahlen

Doch der eigentliche Protestzug der jungen Frauen begann bereits 2011 im Vorfeld der damals anstehenden Wahlen in Russland. Als entschiedene Gegnerinnen von Putin, den sie als Diktator bezeichnen, veröffentlichten sie Videos auf YouTube und Blogeinträge, in denen sie unter anderem zur Besetzung öffentlicher Plätze aufriefen. Bei ihren Aktionen setzen sie sich auch für die Rechte von Frauen sowie für Feminismus und LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) ein.

Performerin Maria Alyokhinas erzählte in ihrem vor einem Jahr erschienenen Buch "Riot Days" von den Anfängen der rebellischen Gruppe 2011, über ihre Auftritte, Verhaftung, den Prozess und ihren Aufenthalt in einem sibirischen Gefängnislager. Auf viel positive Kritik ist es bisher gestoßen: So urteilte die bekannte feministische US-Autorin Chris Kraus: "Eines der besten und inspirierendsten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Dieses Buch bedeutet Freiheit." Und der Guardian bezeichnet es als Statement gegen Korruption und Patriarchat. Auf Deutsch erschienen ist "Riot Days" unter dem Titel "Tage des Aufstands" bei "ciconia ciconia" – einem kleinen Verlag aus Berlin, der es sich zur Aufgabe macht, osteuropäische Autoren und Autorinnen ins Deutsche zu übersetzen.

Musikalisches Theater

Auf Grundlage dieses Textes haben die Künstlerinnen eine musikalische Theaterperformance erarbeitet. Wie genau dieser Punk-Protest auf der Bühne aussieht, zeigen sie am 16. Januar im Nürnberger "Hirsch". Sicher ist, mit den bunten, lautstarken Aktionen sowie ihrer Kompromisslosigkeit hat Pussy Riot deutlich bewiesen, dass Kunst es schaffen kann, weltweite Aufmerksamkeit zu generieren und einen Massenaufschrei zu erzeugen.

Das ist wichtig, nicht zuletzt auch, weil nach wie vor viele Kulturschaffende aus vorgeschobenen Gründen inhaftiert sind. Es liegt an den Menschen in Freiheit und den Medien, sich für ihre Freilassung starkzumachen – wie damals, als die beiden Pussy-Riot-Mitglieder im Gefängnis saßen. Denn gesellschaftliche Verantwortung liegt nicht auf den Schultern von Kunst- und Kulturschaffenden, sie können nur Anstöße geben. Pussy Riot macht das mit Neon-Punk-Performances, das klingt vor allem nach Spaß. Und der wiederum nährt sich aus Humor, der bekanntermaßen lebensrettend in den dunkelsten Stunden sein kann.

16. Januar, Vogelweiherstr. 66, 20 Uhr; Karten-Tel. 09 11/2 16 27 77

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