Rachmaninoff leuchtet

27.9.2015, 17:54 Uhr

Dass der innovativ denkende Symphoniker-Chef Alexander Shelley sich gerne aus dem Repertoire von Rarem oder Verkanntem bedient, gereicht ihm zur Ehre. Nun erweist sich der Brite erneut als Sympathisant der Musik seines Heimatlandes, der auch hierzulande vernachlässigten Persönlichkeiten der englischen Komponisten-Gilde eine Chance gibt, etwa William Walton.

Dass der oft über die Stränge schlug, belegen kantig ausgeformte, auch mit Dissonanzen geschärfte sinfonische Klänge. Walton kann’s auch anders – frech, beschwingt, charmant, leichtgewichtig. Wenn er melodisch „schwarz“ den Gitarristen Jean Bosco Mwenda zitiert und die „Johannesburg Festouvertüre“ zum 70-jährigen Bestehen der Metropole auch noch kontrapunktisch „weiß“ nach britischer Machart umspielt, streut er scharfen Pfeffer.

Die Symphoniker spielen mit Verve. In der Tat ein elanvolles Entrée der Saison 2015/16, in der das Orchester 70-jähriges Bestehen feiern kann. Nach dem fulminanten Siebenminüter fesselt der ukrainische Jungstar Valentina Lisitsa (42) am Piano. Mit Pfiff spielte sie nach ihrem Wechsel in die USA auf der medialen Klaviatur, begeisterte mit einer Rachmaninoff-Etüde ein Millionenpublikum, avancierte buchstäblich zum „YouTube-Star“: 60 Millionen Klicks!

Wohldosiert meistert sie Rachmaninows c-Moll-Konzert op. 18. Lisitsa hat das untrügliche Gespür für die mondäne Tragik einer zwielichtigen Musik samt sensitiver Lyrik. Ihr Schwung imponiert mit leuchtendem Ton und großem Atem. Tempowahl und Charakter des Ausdrucks sind gut aufeinander abgestimmt. Mit der Kunst klanglicher Schattierung und subtiler Phrasierung wird ein lyrisches Intermezzo in den Raum gezaubert, das in ruhevoll dahindämmernde Oasen ausschwingt.

Rasant geht es dann in den Prestissimo-Schüben zu. Geschmeidig assistieren die Symphoniker mit dem temperamentvoll zupackenden Alexander Shelley am Pult. Das Publikum applaudierte stürmisch. Bravourös die zugegebene Franz Liszt „Paganini“-Etüde „La campanella“.

Mit Igor Strawinskys Suite aus dem Ballett „Der Feuervogel“ (Fassung l945) führen die Symphoniker sorgfältig rhythmisiertes Orchesterspiel vor. Das Klanggeschehen bleibt differenziert, vor allem im stimmungshaften Zauber „Pas de Deux“, der „Berceuse“ und beim altslawischen Reigentanz (Chorovod). Plastisch werden viele impressionistische Effekte eingefangen. Selbst im infernalisch aufschäumenden Höllentanz des Königs Kaschtschej entfacht Shelley kontrolliert orchestralen Glanz.

Wendig artikulieren die Instrumentalisten (Flöte, Horn) ihre Soli, während die Blechbläser strahlkräftig in der Schlusshymne auftrumpfen. Und eine Zugabe folgt auch noch: „Danse des chevaliers“ (Tanz der Ritter) aus dem ersten Akt, 2. Bild von „Romeo und Julia, op. 64 von Sergey Prokofiev.

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