Rapper Kontra K: "Etwas läuft falsch in unserer Zeit"

28.2.2015, 14:27 Uhr
Der Berliner Rapper Kontra K.

© Oliver Rath/PR Der Berliner Rapper Kontra K.

Schon als Jugendlicher entdeckte er Kickboxen für sich. Verarbeitet in seiner Musik den Ehrgeiz zum Sieg, der ihm mit 17 fehlte, als er die Schule abbrach. Er arbeitete jahrelang als Industriekletterer. Jetzt konzentriert er sich auf die Musik. Am 9. März kommt Kontra K in den "Hirsch" nach Nürnberg.

Die Platte beginnt mit den Worten: "Die besten Diamanten findet man unter Tonnen von Dreck" - muss man wirklich durch Dreck laufen, um ein guter Mensch zu werden?

Kontra K: Nein, manche Menschen kommen aus einem guten Elternhaus und werden gute Menschen. Aber das ist eine schöne Metapher zu sagen, dass nicht immer alles schlecht ist, was einem in schwierigen Zeiten begegnet. Und diejenigen, die aus dem Dreck kommen, wissen etwas Gutes, das ihnen passiert eher zu schätzen.

Was unterscheidet Sie von anderen Rappern?

Kontra K: Die meisten anderen kenne ich nicht privat. Was mich vielleicht unterscheidet, ist, dass ich mich nicht brüste, wie krass ich bin. Ich habe nicht so einen extremen Selbstdarstellungszwang wie viele andere. Ich mache die Musik eher um anderen etwas mitzugeben, als mir etwas zu nehmen.

Müssen Sie sich auf Ärger mit anderen Rappern einstellen, je wichtiger Sie werden?

Kontra K: Es wäre auf jeden Fall nicht klug von denen, mich privat zu attackieren. Aber wer mich musikalisch angreifen will, kann das gern machen. Das ist in Ordnung. Ich spiele das Spiel nicht mit. Ich bewerfe mich ungern mit Dreck. Ich gönne jedem alles und ich erwarte auch, dass mir alles gegönnt wird.

Die jetzige Platte fühlt sich viel sanfter an als andere vorher, Sie singen viel...

Kontra K: Ich bin Vater geworden, das hört man auf der Platte extrem. Eine CD spiegelt immer einen Abschnitt im Leben des Künstlers wider und diese Phase war eben emotionaler. Ich habe mich aber selbst dabei erwischt, dass ich mich beim Hören gewundert habe: Krass, was da so aus mir rauskommt.

Sie sagen in Interviews immer: Man will nicht ins Ghetto rein, sondern aus dem Ghetto raus.

Kontra K: Richtig. Und diese Aussage findet sich auch immer in meiner Musik, nur das Gewand oder die Art wie ich es sage, die kann demnächst wieder aggressiver werden. Es kommt einfach darauf an, was morgen passiert. Ich bin ein Mensch - ich lebe. Ich bin nicht nur die Kunstperson, sondern zu 100 Prozent das, was ich schreibe.

Die neue Platte klingt an manchen Stellen wie "Früher war alles besser". Ist das so?

Kontra K: Früher war wirklich vieles besser. Jetzt leben wir in einer medienverblendeten Welt, in der Facebook oder Tinder eine zu große Rolle spielen. Kinder nehmen mit 13 Jahren schon Drogen. Jugendliche sind wesentlich kompromissloser geworden. Es ist ganz normal, dass man Handyvideos anguckt, auf denen sich Leute auf die Schnauze hauen. Das war bei uns nicht ganz so krass.

Sind Sie mit 27 nicht zu jung, um von früher als den guten alten Zeiten zu sprechen?

Kontra K: Ich fühle mich einfach falsch in dieser Zeit. Es ist gefühlt nicht richtig, wie es in unserer Gesellschaft gerade läuft. Ich sage nicht früher war alles besser, aber jetzt ist es auf alle Fälle nicht gut und es wird immer schlimmer.

Sie rappen häufig über Ehre und Loyalität.

Kontra K: Ja, ich habe mir “Loyal” hinter das Ohr tätowiert.

Das sind große Worte...

Kontra K: Ja, die zählen für mich auch noch. Was bedeutet Loyalität? Es bedeutet für jemanden da zu sein, auch wenn man nicht dieselbe Sichtweise hat. Loyalität gibt es heute fast nicht mehr. Jeder denkt nur an sich. Aber wenn du es schaffst, dir einen Kreis von Leuten aufzubauen, die immer bei dir sind, wie eine kleine eingeschworene Armee, dann kannst du alles schaffen. Wenn jeder dem anderen alles gönnt und jeder zu gleichen Teilen in die Freundschaft investiert – das ist unbezahlbar heute.

Wo fängt denn Loyalität an?

Kontra K: Es fängt schon im Kleinen an: Wenn einer meiner Leute zum Beispiel plötzlich sagen würde, bei einem anderen auf Tour verdient er mehr Geld, dann wäre das schon ein Vertrauensbruch. Es geht um ungeschriebene Regeln.

Wo hört Loyalität auf?

Kontra K: Man sollte nie aufrechnen, was man füreinander tut. Klar gibt es in einer Freundschaft auch Rückschläge und man muss auch mal bluten für den andern. Das stärkt sie. Aber wenn man immer mehr gibt als man zurück bekommt, dann hört da die Loyalität auf.

Können Sie Leuten ansehen, ob sie loyal sind?

Kontra K: Für mich sind alle Menschen erstmal nur Hüllen, die irgendetwas wollen. Jeder trägt eine Maske. Ich trag sie auch, jetzt gerade in diesem Moment, während wir reden. Aber du siehst erst, was ich für ein Mensch bin, wenn es brennt. Erst wenn es darum geht, dass ich vielleicht etwas von mir opfern muss, um dir etwas Gutes zu tun, dann siehst du, ob ich ein guter Mensch bin.

Aber so kann man doch nie Freundschaften schließen?

Kontra K: Doch. Ich habe ein paar wenige, aber sehr gute Freunde. Egal was mir passiert, meinem Sohn wird es immer gut gehen. Wenn ich morgen vom Bus überfahren werde, dann werden meine Freunde immer für ihn da sein.

Hat sich unser Verhältnis zu traditionellen Werten geändert?

Kontra K: Ja. Auch Familie ist nicht mehr so wichtig. Oft schicken mir Leute, die ich kaum kenne Nachrichten mit “Ey Bruder”, “Brudi”, “Bro”. Das hat an Bedeutung verloren.

Die Jugendlichen schreiben unter Ihre Facebookposts in großen Buchstaben: LOYAL. Weiß jeder was das bedeutet?

Kontra K: Nein, wissen sie nicht. Es gibt seltene Momente, in denen ich Kommentare lese, da kriege ich grundsätzlich schlechte Laune. Das Wort “Loyal” verliert dadurch an Wert. Es ist für die ein Trendwort. Ich meine es. Und ich lebe es und wenn ich ein paar Leute erreiche, die es wirklich verstehen, dann habe ich schon viel geschafft.

Ich hab mit Kontra K auf dem MP3-Player zum ersten Mal die 10-KM-Marke beim Joggen geknackt. Warum immer diese Fokussierung auf Sport?

Kontra K: Sport macht uns zu besseren Menschen. Besonders wenn man Kampfsport betreibt, entwickelt man Fairness. Durch Training kommt Leistung und durch Leistung erhält man Respekt. Und wenn der andere besser ist, dann hat er besser trainiert. Selbst die abgefucktesten Typen die gegeneinander boxen, geben sich danach die Hände und zeigen sich Respekt. Da ist ein Gedanke noch da, der in unserer Welt verloren gegangen ist: Gib deinem Gegner die Hand, wenn er am Boden liegt.

Wäre so ein Leistungsgedanke nicht in der Schule hilfreich gewesen?

Kontra K: Ja, voll. Ich kann dir nicht sagen, warum die Disziplin in der Schule nicht ausgereicht hat. Schule war egal, weil ich nicht an übermorgen gedacht habe. Der Gedanke hat sich erst entwickelt, als es richtig schlimm wurde. Da hieß es, entweder gehen wir in Haft oder ... Irgendeine innere Antriebskraft hat mir gesagt: Ich kann viel mehr als das. Ich muss jetzt meinen Arsch bewegen und dann kamen peu à peu kleine Belohnungen zurück.

Belohnungen während der Ausbildung?

Kontra K: Ich habe keine Ausbildung gemacht.

Sie arbeiten als Industriekletterer, verputzen Wände und restaurieren Balkone. Wie wird man das?

Kontra K: Ich habe mir 1000 Euro geliehen und habe einen Kurs gemacht, der geht zwei Wochen und dann habe ich bei ganz vielen Firmen angefragt und eine hat mich tatsächlich zum Probearbeiten nachts am Hauptbahnhof genommen. Dabei habe ich Vollgas gegeben, sodass ich alle überholt habe beim Verputzen und Schrauben. Danach bin ich auf Montage gegangen und habe dort alles gelernt, was ich jetzt kann. Mittlerweile habe ich meine eigene Firma in Berlin mit einem guten Kundenkreis.

Machen Sie das neben der Musik?

Kontra K: Nein, ich habe mich da vor Kurzem zurückgezogen. Das macht jetzt mein Bruder.

Ihr richtiger Bruder?

Kontra K: Ja, mein Blutsbruder.

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